MIT Technology Review 8/2016
S. 97
Fundamente
Rückschau

Mit Flügelschlag

An dieser Stelle blicken wir zurück auf Artikel, die vor fünf Jahren in Technology Review erschienen sind. Diesmal: Der bionische Vogel

technology review 8/2011Die Hoffnung auf eine bionische Dimension des Fliegens.

Im April 2011 präsentierte das Maschinenbauunternehmen Festo aus Esslingen (Baden-Württemberg) auf der Hannover Messe einen künstlichen Vogel, der seinem biologischen Vorbild so nah kam wie zuvor keine andere Flugmaschine. Gegen den „SmartBird“ mit seinen zwei Metern Spannweite wirkten nicht nur alle anderen existierenden Vogelmodelle überraschend steif – die künstliche Möwe war auch der erste Flieger mit einem aerodynamischen Wirkungsgrad von 80 Prozent. Bei herkömmlichen Flugzeugen mit starren Flügeln sind es nur rund 40 Prozent.

Möglich machte das ein sogenannter „Schlagflügelantrieb“ nach biologischem Vorbild. Denn bei Vögeln drehen sich die Flügel während der Auf-und-ab-Bewegung gleichzeitig und erzeugen so nicht nur Auf-, sondern auch Vortrieb. Das Prinzip klingt einfach, aber Details der Ansteuerung sind außerordentlich kompliziert. Die Festo-Möwe weckte daher Hoffnungen auf nichts weniger als eine bionische Dimension des Fliegens.

Wolfgang Send, wissenschaftlicher Kopf des Projekts, träumte gar davon, das Prinzip als „ergänzende Antriebsform“ für Personen tragende Fluggeräte weiterzuentwickeln. Sein Versuch, Geldgeber für ein Folgeprojekt zu finden, ist jedoch bisher gescheitert.

Auch der Prototyp eines elektromechanischen Kolibris, den das US-Unternehmen Avinc für die Darpa entwickelt hatte und 2011 in einem kurzen Video der Öffentlichkeit präsentierte, ist offenbar in der Schublade verschwunden. Darauf aufbauende Produkte hat Avinc jedenfalls nicht gezeigt.

Das heißt jedoch nicht, dass das Interesse am bionischen Fliegen insgesamt erloschen ist. Weltweit arbeiten Forschergruppen an „Roboter-Insekten“ und profitieren dabei vor allem von Fortschritten in der Fertigungstechnik. So hat eine Arbeitsgruppe der Harvard University beispielsweise ein Fluggerät gebaut, das den Schlagflügelantrieb verwendet, aber gerade mal 100 Milligramm Gewicht auf die Waage bringt. Zum Fliegen muss man das Roboter-Insekt allerdings noch per Kabel mit Energie versorgen. WOLFGANG STIELER