MIT Technology Review 1/2017
S. 90
Karriere
Ausbildung
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Was macht ein Applicant Tracking System?

Um effizienter mit digitalen Bewerbungen umzugehen, nutzen die meisten Unternehmen heutzutage spezielle Software-Werkzeuge. Wer sich für eine Stelle interessiert, sollte auf deren begrenzte Fähigkeiten Rücksicht nehmen.

Viel ist derzeit darüber zu lesen, wie Soft-ware und intelligente Roboter Menschen die Arbeitsplätze wegzunehmen drohen. Ein guter Teil da-von ist Zukunftsmusik und durchaus umstritten. Was allerdings schon heute definitiv passieren kann: Ein Computer kann dafür sorgen, dass man einen Job erst gar nicht bekommt.

Der Grund dafür ist die Tatsache, dass eine zunehmende Zahl insbesondere großer Unternehmen sogenannte Applicant Tracking Systems (ATS) einsetzt. Dabei handelt es sich um Software, mit der Personalabteilungen versuchen, effizienter mit eingehenden Bewerbungen umzugehen. Laut einer Umfrage des Institute for Competitive Recruiting waren derartige Lösungen im Jahr 2015 schon bei 66 Prozent aller Arbeitgeber im Einsatz. In Unternehmen mit mehr als 50000 Mitarbeitern betrug der Anteil demnach sogar 100 Prozent.

„Immer mehr Unternehmen lassen Bewerbungen von Computerprogrammen vorsortieren“, schreibt auch Yeng Chow, Senior Manager bei der Schweizer Personalberatung Robert Half, in einem Expertentipp zu dem Thema. Doch was die Unternehmen entlasten und eigentlich dazu beitragen soll, dass der richtige Mitarbeiter auf die richtige Stelle kommt, kann auch dazu führen, dass an sich gut geeignete Bewerber frühzeitig ausgesiebt werden und nicht in die nächsten Runden kommen.

Ähnlich wie die private Partnersuche spielt sich heute auch das Zusammenfinden zwischen Unternehmen und neuen Mit-arbeitern zu großen Teilen online ab. Die Arbeitgeber veröffentlichen offene Stellen auf ihren eigenen Webseiten oder in Internet-Jobbörsen, Bewerber reagieren per E-Mail oder mit dem Ausfüllen von Online-Formularen darauf. Die sozialen Business-Netzwerke LinkedIn und Xing ermög-lichen sogar „One Click“-Bewerbungen. Über diese Funktion lässt sich beispielsweise auf Grundlage der gespeicherten Profildaten automatisch ein Lebenslauf erstellen, der dann an das suchende Unternehmen übermittelt wird.

Ebenfalls ähnlich wie in Liebesdingen führt dies dazu, dass die Lage schneller unübersichtlich werden kann als in vordigitalen Zeiten. Software soll Unternehmen deshalb dabei helfen, sich von der Flut nicht überwältigen zu lassen: „ATS nutzen Algorithmen, um Bewerbungen auf bestimmte Inhalte beziehungsweise Schlüsselbegriffe zu scannen“, erklärt Personal-berater Chow.

Das ist für beide Seiten unproblematisch, wenn sie tatsächlich nicht zusammenpassen. Anders als ein erfahrener Personalprofi kann eine vergleichsweise hirnlose Software jedoch nicht erkennen, wenn sich hinter einer ungewöhnlichen Formulierung vielleicht doch die richtige Qualifikation oder Eigenschaft verbirgt. Doch wer von vornherein durch das automatisierte Raster fällt, hat keine Chance, jemals von einem menschlichen Mitarbeiter begutachtet zu werden.

Chow rät Bewerbern deshalb dazu, sich auf die neuen Realitäten einzustellen und bei Anschreiben und Lebenslauf zunächst einmal an den Computer zu denken. Letztlich läuft das auf weniger Kreativität und Individualität hinaus: „Verzichten Sie auf extravagante Elemente wie Logos oder Symbole“, empfiehlt er ebenso wie die Verwendung gängiger Schriftarten. Alles andere könne schon das maschi-nelle Erfassen des Textes erschweren.

Im Grunde funktionieren die algorithmischen Filter für das Personalwesen nicht viel anders als eine Suchmaschine – wobei die meisten davon weniger raffiniert vorgehen dürften als Google, wo zunehmend künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt. Erforderlich ist laut Chow deshalb auch ein wenig klassische Such-maschinenoptimierung: „Verwenden Sie allgemein häufig genutzte Bezeichnungen und relevante Schlüsselbegriffe.“

Geradezu verheerend können zudem Rechtschreibfehler sein, warnt Chow: Ein Mensch in der Personal-abteilung würde sie viel-leicht noch übersehen oder ein Auge zudrücken, wenn alles andere überzeugend wirkt. Ein Algorithmus aber würde im schlimmsten Fall gar nicht erkennen, was gemeint ist. „Handelt es sich dabei um einen der wichtigsten Schlüsselbe-griffe, ist das in etwa so, als hätten Sie diese Fähigkeit überhaupt nicht. Und das kann Sie die Jobchancen kosten.“

Solange Maschinen im Personalwesen nicht wirk-lich intelligent sind, sollte man also auf ihre beschränkten Fähigkeiten Rücksicht nehmen. Und wer seine Unterlagen gut verständlich, auf die Stellenanzeige abstimmt und ohne optische Mätzchen und Tippfehler einreicht, hat wahrscheinlich ohnehin auch bei solchen Unternehmen bessere Chancen, die Bewerber immer noch ganz ohne Technik aussieben. Sascha Mattke

Ausbildung

Wandel am Jobmarkt

Die duale Ausbildung ist immer weniger gefragt. Foto: shutterstock

Weil immer mehr junge Menschen studieren, wird der Fachkräftemangel in Ausbildungsberufen immer größer. Das zeigen auch die neuesten Arbeitsmarktzahlen. So ist die Anzahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge in den vergangenen vier Jahren von rund 600000 im Jahr 2011 auf 563000 im Jahr 2015 zurückgegangen, wie das Bundesinstitut für Berufsbildung meldet. Die Zahlen für 2016 liegen zwar noch nicht vor, aber auch in diesem Jahr konnten Tausende Lehrstellen nicht besetzt werden.

Facharbeiter, Meister und Techniker sind inzwischen die technischen Berufsgruppen, in denen künftig der größte Mangel herrschen wird, neben Gesundheits- und Pflegeberufen. „Nach unseren Prognosen wird es in den kommenden Jahren die größte Fachkräftelücke bei den Meistern und Fachkaufleuten geben“, sagt Knut Diekmann, Weiterbildungsexperte beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag in Berlin. Beides sind Aufstiegsfortbildungen, die auf einer dualen Ausbildung aufbauen. Peter Ilg