MIT Technology Review 9/2017
S. 92
Fokus
China

Bonus für brave Bürger

China arbeitet an einem umfassenden Kontrollsystem, das die digitalen Spuren seiner Bürger erfasst und bewertet. Wer sich an die Regeln hält, bekommt Pluspunkte.

Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen: Bis 2020 will China ein umfassendes „Social Credit System“ aufbauen, das jedem Bürger, jedem Unternehmen und jeder Behörde eine Bewertung verpasst. Wer genug Reputation sammelt, darf sich über billigere Kredite, Karrieremöglichkeiten oder andere Annehmlichkeiten freuen. Jene hingegen, die sich nicht an die Regeln halten, müssen mit Nachteilen rechnen – für sich und gegebenenfalls auch für ihre Kinder, die vielleicht nur eine schlechtere Schule besuchen dürfen als die gewünschte.

Unheimlich? Nicht für Chinas Regierung. Denn das Regime sieht in dem Schritt die Chance, gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Mit dem geplanten Bewertungsschema will China wieder Vertrauen herstellen in ein Staatssystem, das zunehmend unter Korruption, Intransparenz und der Erosion von Institutionen leidet. Was also eigentlich genuine Aufgabe des Staates ist, lässt sich Chinas Regime teuer bezahlen: mit der Preisgabe intimster Daten und der Möglichkeit, das Leben der Untergebenen zu lenken. Hinzu kommen wirtschaftliche Überlegungen. Bislang benutzen nur vergleichsweise wenige Bürger Kreditkarten oder nehmen Hauskredite auf. Ein Rating-Mechanismus wie der Schufa-Score in Deutschland, mit dem sich die Kreditwürdigkeit einstufen lässt, hat sich deshalb nicht entwickelt. Der Social Score soll diese Lücke nun schließen.