MIT Technology Review 1/2018
S. 43
Horizonte

Kneifen gilt nicht

2018 könnten die ersten Insektenburger in Deutschlands Supermarktregalen liegen – dank einer neuen EU-Verordnung. Es gibt gute Gründe, sie zumindest einmal zu probieren.

Nussig sollen Mehlwürmer schmecken. Doch davon ist dem Insektenburger aus dem Schweizer Supermarkt Coop nichts anzumerken. Er lag als abgepackter Bratling in der Kühltheke. Und ich wollte wissen, was wirklich dran ist an Insekten als Zukunftshoffnung der Ernährung. Denn rein rational spricht einiges für sie: Insekten benötigen Angaben der Welternährungsorganisation FAO zufolge für ein Kilogramm Insektenmasse nur zwei Kilogramm Futter, während Rinder acht Kilogramm Futter verbrauchen, um ein Kilogramm Körpermasse aufzubauen. Mit den gleichen Ressourcen könnten also viel mehr Menschen hochwertig ernährt werden. Aber will ich sie wirklich essen? Ich lege den Burger in die Pfanne und dann auf den Teller. Der Bratling tut sich geschmacklich kaum hervor. Von der angeblich nussigen Note jedenfalls merke ich nichts. Eher dominieren die beigemengten Kräuter, Gewürze und Gemüse. Mit einem echten Beefburger kann das Produkt, dem rund 31 Prozent Mehlwürmer beigemengt sind, nicht konkurrieren. Im Vergleich zu anderen Fleischersatzprodukten wie Soja oder Seitan aber gebe ich dem Insekten-Bratling den Vorzug.

Eine Alternative zu Rindfleisch: Burger mit einem Anteil an Mehlwürmern. Foto: COOP/ Essento

Kulinarisch könnte also klappen, was die Schweizer Ladenkette Coop vorhat: ihre Kunden „langsam an den Geschmack von Insekten heranführen“. Seit August 2017 verkaufen etwa ein Dutzend ihrer Niederlassungen in den Großstädten und Einkaufszentren Burger-Patties oder Bällchen. Diese Bratlinge bestehen aus pflanzlichen Anteilen wie Reis und Kichererbsen und zu einem Drittel oder einem Viertel aus dem Fleisch von Mehlwürmern. Komplette Insekten will Coop vorerst nicht anbieten, obwohl der Verzehr ganzer oder verarbeiteter Heuschrecken, Grillen und Mehlwürmer seit Mai 2017 in der Schweiz zugelassen ist.