MIT Technology Review 11/2018
S. 64
Fokus
Cyberwar
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Kollateralschaden einkalkuliert

Wir haben den Kampf um den sicheren Cyberraum verloren. Schuld daran sind jedoch nicht nur Kriminelle, sondern genauso Regierungen und staatliche Behörden.

Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute lautet: Noch ist der Cyberkrieg nicht offen ausgebrochen. Die schlechte lautet: Noch ist der Cyberkrieg nicht offen ausgebrochen, aber er wird vorbereitet. Weltweit – unter Aufwendung beachtlicher Ressourcen.

Kaum ein Begriff ist so schillernd und schwer zu fassen wie dieser „Cyberwar“. Der Politologe und Sicherheitsexperte Thomas Rid nennt ihn die „militärische Version der Internetblase“, einen Begriff aus den 90er-Jahren, als „sich einige Leute in den USA ausgemalt haben, dass man einen Krieg gewinnen könnte, ohne konventionelle Waffen zu verwenden.

Für eine „naive Annahme“ scheint die Idee jedoch verblüffend erfolgreich. Der Antivirus-Hersteller McAfee ging bereits 2009 davon aus, dass 120 Staaten „das Internet für militärische Zwecke und für Spionage nutzen“. Natürlich hat ein Unternehmen wie McAfee ein gewisses Interesse daran, ein düsteres Bild der Sicherheitslage zu zeichnen. Bei einem Hearing vor dem US-Senat zählten führende Geheimdienstexperten des Landes 2017 aber immerhin 30 Staaten auf, die über offensive Cyberwar-Programme verfügen oder sie aufbauen. Die Zahl wächst beständig weiter, mittlerweile ist auch die Bundeswehr dabei (siehe Seite 76).

Wie gefährlich diese Entwicklung ist, darüber streiten sich die Experten. Manche, wie zum Beispiel Bruce Schneier, befürchten, dass wir geradewegs auf einen technologischen Abgrund zuschliddern (siehe Seite 68). Andere wie Hans Schotten vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) halten die Situation zwar für schwierig, aber beherrschbar. Wer wird am Ende recht behalten?