MIT Technology Review 12/2018
S. 113
Fundamente
Rückschau

Ohne Menschen an Bord

An dieser Stelle blicken wir zurück auf Artikel, die vor fünf Jahren in Technology Review erschienen sind. Diesmal: Raumfahrt für alle

TECHNOLOGY REVIEW 12/2013 Mini-Satelliten heben ab, private Raketenbauer nicht.

Verrückt oder visionär?“, fragte TR vor fünf Jahren mit Blick auf private Raketenbauer, die Menschen an den Rand des Weltalls bringen wollten. Für einen damals vorgestellten „Ingenieur in Schweißerkombi“ dürfte die Frage mittlerweile geklärt sein. Er heißt Peter Madsen und wurde im April 2018 zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er eine schwedische Journalistin an Bord seines selbst gebauten U-Boots missbraucht, ermordet und zerstückelt hatte.

Der Rest der Tüftlertruppe namens Copenhagen Suborbitals, die sich bereits 2014 im Streit von Peter Madsen getrennt hatte, machte trotzdem weiter – auch wenn sie nicht wirklich weiterkommt. Schon in einem Jahr, hieß es damals, wolle man eine 80 Kilogramm schwere Kapsel auf 80 Kilometer Höhe bringen. In fünf Jahren solle dann ein Mensch auf eine Parabelbahn geschossen werden. Mehr als sechseinhalb Kilometer Höhe haben die Copenhagen Suborbitals mit ihrer Rakete allerdings bis heute nicht erreicht.

Die dänischen Tüftler befinden sich damit in guter Gesellschaft. Auch deutlich größere und professionellere Initiativen konnten kaum Fortschritte vermelden: Virgin Galactic etwa, das Unternehmen des britischen Milliardärs Richard Branson, ist nach einem tödlichen Unfall im Oktober 2014 noch immer mit Tests für Touristenflüge beschäftigt. Und die US-Firma XCOR Aerospace, die Passagiere mit einem Raumschiff namens Lynx transportieren wollte, musste sogar Konkurs anmelden.

Die Raketentriebwerke röhren derweil woanders: bei kleinen, günstigen Satelliten. Erdbeobachtung, die „für (fast) jeden erschwinglich ist“, versprach die damalige TR-Titelgeschichte. Fünf Jahre später betreiben Unternehmen wie das kalifornische Start-up Planet mehrere Hundert schuhkartongroße Satelliten. Sie liefern täglich frische Bilder von beinahe jedem Punkt der Erde. Und auch preiswerte Raketen, die extra für diese winzigen Nutzlasten konzipiert wurden, werden derzeit rund um den Globus gebaut.

Die Zukunft der billigen, privaten Raumfahrt ist eingeläutet. Aber sie wird, so scheint es, auf absehbare Zeit ohne Menschen an Bord auskommen müssen. Egal ob visionär oder verrückt. Alexander Stirn