MIT Technology Review 12/2018
S. 64
Horizonte
Medizin

Heilung per Virus

Tom Patterson starb beinahe an multiresistenten Keimen. In letzter Sekunde rettete ihn eine Therapie mit Viren. Sie könnte der Durchbruch im Kampf gegen Erreger sein, bei denen kein Antibiotikum hilft.

Tom Patterson war sterbenskrank. Er lag monatelang im Koma. Auf der Intensivstation im Krankenhaus der University of California in San Diego konnte ihm im Frühjahr 2016 nichts mehr helfen – jedenfalls kein Antibiotikum. Seine Organe begannen zu versagen. Denn sowohl sein Blut als auch sein Bauchraum waren befallen von dem vielfach resistenten Erreger Acinetobacter baumannii. Der auch als „Iraqibacter“ bekannte Keim erhielt diesen Spitznamen, weil er während des Irakkriegs bei vielen Soldaten für schlecht heilende Wunden sorgte. Patterson hatte sich während eines Urlaubs in Ägypten Ende 2015 eine Variante davon eingefangen. Nach seiner Rückkehr in die kalifornische Heimat stellte sich heraus, dass sie gegen sämtliche Antibiotika, auch die sogenannten Reserve-Antibiotika, resistent war.

Aber Patterson hatte enormes Glück. Seine Frau Steffanie Strathdee ist Leiterin des Global Health Institute der Uni in San Diego, und sie hatte von einer Therapie gehört, die in solchen Fällen Wunder wirken kann: Viren, und zwar eine Variante, die ausschließlich Bakterien befällt – sogenannte Bakteriophagen. Bereits vor gut hundert Jahren entdeckt, bergen sie ein ungeheures Potenzial für den Kampf gegen bakterielle Infektionen. Denn die Phagen, die nicht aus sehr viel mehr als ihrem Erbmaterial und einer Hülle drum herum bestehen, sind jeweils auf bestimmte Bakterien spezialisiert. Ihre sogenannte lytische Variante (siehe Grafik) dringt in die Zellen ein und bringt den Wirt dazu, so viele neue Phagen zu produzieren, bis er am Ende platzt und eingeht.