Technology Review Special 2018
S. 88
Politik/Gesellschaft
Netzneutralität
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Illustration: Shutterstock

Bitte zahlen für Vorfahrt

Die US-Regierung hat das Gebot der Netzneutralität gekippt – und das Land gespalten.

Seit es das Internet gibt, gilt die (zumeist ungeschriebene) Regel, dass Provider alle Datenpakete gleich behandeln sollen, egal woher sie stammen und was sie beinhalten. Die US-Regulierungsbehörde FCC hatte dieses Prinzip 2015 mit ihren „drei Geboten zur Netzneutralität“ gesetzlich verankert:

Keine Websperren für rechtmäßige Inhalte

Keine Tempobremsen für legalen Internetverkehr

Keine Bevorzugung von legalem Internetverkehr gegenüber anderem legalen Internetverkehr im Austausch gegen Zuwendungen

Doch dem Gesetz, das noch unter Barack Obama erlassen worden war, war kein langes Leben beschieden. Im Sommer 2018 wurde es von der Trump-Regierung wieder gekippt. Offizielle Begründung: Die Netzneutralität gefährde Investitionen in die Infrastruktur.

Gegner befürchten hingegen, dass die Provider nun Kunden oder Anbieter extra zur Kasse bitten, um etwa hochauflösende Videos durchzuleiten. Leidtragende wären auch kleine, unabhängige Plattformen, die sich die Gebühren nicht leisten können. „Absichtlich verschleppte Investitionen in die Infrastruktur und dadurch verlangsamte Übertragungsgeschwindigkeiten könnten dazu genutzt werden, um Nutzern bezahlte Überholspuren schmackhaft zu machen“, schreibt etwa netzpolitik.org. „Monatliche Datenvolumina könnten auch im Festnetz zur neuen Normalität werden.“

Das Gesetz spaltet nicht nur die Internetbranche, sondern die gesamten USA. Ende September hatte Kalifornien die alten FCC-Regeln wieder in Kraft gesetzt. Das US-Justizministerium verklagte den Bundesstaat daraufhin umgehend. Auch Oregon, Vermont und Washington haben eigene Gesetze zur Netzneutralität erlassen. Nun müssen Gerichte darüber entscheiden, ob die Bundesstaaten das Recht dazu haben.

Hierzulande ist die Netzneutralität vor allem bei sogenannten „Zero-Rating-Angeboten“ umkämpft. Dabei geht es um die Frage, ob Mobilfunkprovider beispielsweise eigene Musikstreamingdienste anbieten dürfen, die nicht aufs Datenvolumen angerechnet werden. Die Bundesnetzagentur hat sowohl der Telekom als auch Vodafone entsprechende Modelle untersagt. Auch dieser Streit wird derzeit vor Gericht ausgetragen, eine endgültige Klärung könnte noch Jahre dauern.