MIT Technology Review 2/2018
S. 96
Fundamente
Jubiläum

Biologischer Urknall

Vor zehn Jahren gelang es erstmals, menschliche Zellen zu klonen.

Umgeben von Fruchtbarkeitsstatuen sonnte sich Samuel H. Wood 2008 auf einer Pressekonferenz in seinem Erfolg: Er hatte erstmals menschliche Zellen geklont. Der südkoreanische Forscher Woo Suk Hwang hatte dies zwar schon 2004 verkündet, doch seine Ergebnisse erwiesen sich als Fälschung. Das Rennen war wieder offen, und Wood, Arzt einer privaten Reproduktionsklinik, gründete im kalifornischen La Jolla die Stemagen Corporation.

Einer der acht Mitarbeiter war Andrew French. Der Molekularbiologe hatte an der australischen Monash University bereits Mäuse, Schweine, Schafe und Kühe geklont – mit einem Verfahren, das 1996 das berühmte Klonschaf Dolly hervorgebracht hatte. Dieses perfektionierte er bei Stemagen so, dass es auch bei Menschen funktionierte. Sein Erfolgsgeheimnis verriet er am 17. Januar 2008 im Fachblatt „Stem Cells“: Eizellen, die höchstens zwei Stunden alt waren. Dabei half ihm Woods Nähe zu den Spenderinnen. Drei seiner Patientinnen traten Eizellen für die Wissenschaft ab. French ersetzt die Kerne von 21 Eizellen durch solche von Hautzellen.

Andrew French zeigt auf dem Bildschirm einen der ersten Klon- Embryonen. Foto: Mike Blake/ Reuters

Als French das gealterte Erbgut der Spender – Wood selbst und einer seiner Geschäftspartner – in eine genetisch geleerte Eizelle injizierte, setzte er jenen Prozess in Gang, der bislang nur bei Tieren gelungen war: Das Zellplasma programmierte den Kern wieder in ein frühes Stadium zurück. Die Eizellen wuchsen zu fünf Embryonen mit bis zu 70 Zellen („Blastozysten“) heran. Ein unabhängiges Labor wies nach, dass immerhin drei Blastozysten Erbgut der männlichen Spender enthielten.

Weiter wollten die Forscher die Zellhaufen aus ethischen Gründen nicht wachsen lassen. Es ging ihnen vor allem darum, aus Klon-Embryonen maßgeschneiderte Stammzellen für die Therapie chronischer Krankheiten zu gewinnen. Embryonale Stammzellen lassen sich zu jeder der rund 200 Zelltypen des menschlichen Körpers heranzüchten. So könnten sie ohne Abstoßungsreaktion etwa abgestorbenes Herzgewebe ersetzen.

Mittlerweile versuchen sich Tausende Forscher am therapeutischen Klonen. Allen Ansätzen gemein ist, dass sie heftig umstritten sind, denn die Embryonen könnten auch zu Menschen heranwachsen. In Deutschland ist die Verwendung von Stammzellen aus menschlichen Embryonen deshalb verboten.

Mittlerweile lassen sich Stammzellen aber auch ohne Embryonen erzeugen. Zellen Erwachsener sind nämlich wesentlich flexibler als bisher angenommen und können ebenfalls in andere Gewebetypen umgewandelt werden. „Induzierte pluripotente Stammzellen“ lautet das dazugehörige Zauberwort. „Sie eröffnen völlig neue Wege für die Erforschung von Zellen als Krankheitsmodelle und für die regenerative Medizin“, sagt der Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle. Sein Labor hat auf diesem Wege bereits Hautzellen in funktionstüchtige Neuronen verwandelt.

Hunderte Labore weltweit experimentieren dabei mit den verschiedenen Techniken: der Einschleusung einiger Gene, der Zugabe bestimmter Proteine oder der Veränderung der Kulturbedingungen in der Petrischale. In einem zweistufigen Prozess werden die fertig entwickelten Körperzellen zunächst in quasi-embryonale Stammzellen zurückverwandelt und anschließend angeregt, sich in die jeweils gewünschte Zellart zu entwickeln.

Womöglich geht es in Zukunft sogar ohne den Umweg über Stammzellen. Philippe Collas von der Uni Oslo hat Hirngewebe direkt aus gewöhnlichen Zellen gezüchtet: Er durchlöchert die Hülle der Hautzellen und badet sie im Zellsaft zerquetschter Neuronen. Schon nach wenigen Stunden bilden die Hautzellen die für Neuronen typischen Ausstülpungen. Mit dem Saft von Immunzellen ließen sich auch Immungene in Hautzellen anschalten.

Viele Details sind allerdings noch unverstanden. Bevor Diabetes-, Alzheimer- oder Parkinsonpatienten mit ihren eigenen Körperzellen behandelt werden können, müssen sich die umprogrammierten Zellen wohl erst noch jahrelang in künstlicher Umgebung bewähren. JOSEPH SCHEPPACH