MIT Technology Review 2/2018
S. 3
Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Sollen wir Jugendliche von sozialen Medien aussperren? Wer die Debatten der jüngsten Zeit über die Wirkung von Facebook, WhatsApp oder Snapchat verfolgt hat, muss zu dem Schluss kommen: Ja. Mit einem viel beachteten Buch hat die US-Psychologin Jean Twenge einen Zusammenhang zwischen der Nutzung sozialer Netzwerke und dem Anstieg von Depressionen bei Jugendlichen hergestellt. Weil der direkte menschliche Kontakt schwinde, fühlten sich Jungen und Mädchen einsamer als früher und würden schwermütig. Mittlerweile fallen sogar ehemalige Facebook-Mitarbeiter und führende Silicon-Valley-Investoren in die Klage ein. Ab Seite 30 schreiben wir, warum sich diese Bedenken nicht so einfach vom Tisch wischen lassen.

Aber sollte man gleich wie Frankreich darüber nachdenken, das Mindestalter für diese Plattformen auf 16 Jahre heraufzusetzen, überwacht per Ausweiskontrolle? Zu viel Nutzung schadet. Aber gar keine ist deshalb noch lange nicht besser. Hätte man in der Geschichte der Menschheit alle Medien verbannt, die einsam und depressiv machen können – man wäre heute noch ohne Bücher, Filme oder Briefe. Der Mensch hätte wohl nie entdeckt, wie wertvoll eine Kommunikation ohne direkten Kontakt ist; was es bedeutet, Wissen, Gefühle und Überzeugungen teilen zu können, ohne zusammensitzen zu müssen. Die Gesellschaft, wie wir sie heute kennen, wäre nie entstanden.

Es stimmt, dass soziale Medien die Idee einer neuen Art der Kommunikation momentan eher diskreditieren als erfüllen. Aber ist sie deshalb tot? Vielleicht sollte man sich an dieser Stelle erinnern: Auch Bücher galten lange als gefährlich, sofern sie keine Bibeln waren. Am Ende haben wir gelernt, ihre Macht zu nutzen. Damit dies auch bei sozialen Medien gelingt, beginnt man am besten mit einer Bestandsaufnahme: Wie gefährlich sind Fake News und Filterblasen wirklich? Darüber streiten ab Seite 38 Simon Hegelich, Professor für Political Data Science, und der Kommunikationswissenschaftler Sascha Hölig. Am Ende wird klarer, was zu tun ist.

Zum Abschluss möchte ich Sie noch auf unseren Wettbewerb „Innovatoren unter 35“ aufmerksam machen. Zum vierten Mal suchen wir Gründerinnen und Gründer, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die jünger als 35 sind und Wegweisendes vollbracht haben.

Ich begrüße Sie in unserer Februar-Ausgabe.

Ihr

Robert Thielicke

Unterschrift