MIT Technology Review 5/2018
S. 117
Fundamente
Rückschau

Verleihnix

An dieser Stelle blicken wir zurück aufArtikel, die vor fünf Jahren in Technology Review erschienen sind. Diesmal: die Sharing Economy

technology review 5/2013 Endgültig als naiv erwiesen.

Was sollte das Teilen nicht alles verbessern: die Umwelt, den Ressourcenbedarf, den Kontostand. Aber schon damals schien Skepsis angebracht: „Für die noch junge Sharing Economy liegt die Gefahr darin, dass sie allzu unbedacht die Werte der alten Economy übernimmt“, schrieb TR in Heft 5/2013.

Mittlerweile hat sich die Idee, Teilen würde den Wohlstand automatisch fairer verteilen, endgültig als naiv erwiesen. Airbnb etwa verursacht Wohnungsknappheit, private Taxidienste wie Uber und Lyft zusätzlichen Autoverkehr: Allein in New York waren sie innerhalb von drei Jahren für rund eine Milliarde Kilometer zusätzlichen Verkehr verantwortlich. Und in Berlin bedienten die Carsharing-Dienste Car2go und DriveNow laut Verkehrsberater Stefan Weigele vor allem Strecken, die man auch gut mit dem Fahrrad oder den Öffentlichen zurücklegen könnte.

Auch der private Verleih von Gegenständen wie Bohrmaschinen schwächelt. Die Webseite „Why own it“, vor fünf Jahren noch Beispiel für den Leihtrend, ist seit 2015 offline. „Jeder ist sofort bereit, sich etwas auszuleihen, nur wenige wollten etwas verleihen“, sagte Gründer Philipp Gloeckler gegenüber der „Gründerszene“. „Zudem ist es heute supereinfach, ein Produkt gebraucht zu kaufen, ein paar Wochen zu nutzen und dann wieder zu verkaufen.“

Dafür steigen zunehmend kommerzielle Anbieter ein. Bauduu etwa hat sich auf Legosteine spezialisiert, Tchibo bietet Kinderkleidung an, Media Markt und Otto verleihen ebenfalls. „Der Trend geht zwar nicht durch die Decke, aber er verstetigt sich“, meint Michael Kuhndt, Leiter des Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production. „Gerade die Energiebranche hat das Sharing voll erfasst.“ Durch die Blockchain sind dort neue Geschäftsfelder entstanden – etwa die direkte Vermittlung und Abrechnung von Solarstrom von Nachbar zu Nachbar (siehe TR 10/2017, S. 76).

Professor Harald Heinrichs von der Uni Lüneburg ergänzt: „Soziales Sharing – also Einkaufsgenossenschaften, Energiegenossenschaften, Plattformen zum Zeitspenden – findet dezentral an vielen Orten statt und ist deshalb oft nicht so sichtbar.“ Zudem wüchsen bestimmte Sharing-Dienste gerade in Asien und Südamerika „extrem dynamisch“. Die deutsche Politik habe das Phänomen, so Heinrichs, lange nicht ernsthaft genug reguliert. Doch das ändere sich gerade: So sehe der Koalitionsvertrag neue Regeln fürs Carsharing sowie Sozialstandards für Plattform-Unternehmen vor. GREGOR HONSEL