MIT Technology Review 5/2018
S. 12
Aktuell

Interview

» Wenn wir von Cyberkrieg sprechen, verschwenden wir Zeit «

TR: Professor Rid, Sie haben ein Buch über Cyberwar geschrieben, das sich hauptsächlich damit beschäftigt, dass es diesen Cyberwar eigentlich gar nicht gibt. Passt das in eine Zeit, in der viele Länder Cyberwar-Einheiten aufbauen?

Thomas Rid ist Professor für strategische Studien an der Johns Hopkins Universität, School of Advanced International Studies. Sein Buch „Mythos Cyberwar“ ist Ende März bei der Edition Körber erschienen. Foto: Annette Rid

Thomas Rid: Ich muss dazu sagen, dass die englische Version des Buches bereits vor fünf Jahren erschienen ist. Für die deutsche Ausgabe war die Frage, ob wir das Buch aktualisieren müssen, oder ob die These standhält.

Und? Gilt die These noch?

Meiner Meinung nach hält die These stand. Natürlich haben wir in den vergangenen Jahren eine Eskalation der Computernetz-Angriffe gesehen. Aber die Grundthese, dass die Metapher vom Cyberkrieg uns nur schadet, stimmt immer noch. Stattdessen sollten wir von drei Aktivitätsfeldern sprechen: Spionage, Sabotage und Subversion. Diese drei Felder sind geprägt durch nachrichtendienstliche Tätigkeiten, die heute vor allem über digitale Werkzeuge betrieben werden.

Wenn der Cyberwar gar nicht stattfindet, warum werden dann immer mehr Armeen dafür aufgerüstet?

Warum irgendjemand im Verteidigungsministerium sich entschieden hat, irgendwelche Einheiten zu gründen, darüber will ich gar nicht spekulieren. Mich interessiert die Frage, was tatsächlich passiert. Und was wir sehen, ist, dass es fast keine rein militärischen Operationen gibt, die wir analysieren können. Die sind entweder im kriminellen oder im nachrichtendienstlichen Bereich.

Aber ist Ihre Unterscheidung nicht ein bisschen akademisch? Schließlich geht es sehr oft auch um militärische Ziele wie zum Beispiel zu verhindern, dass der Iran Atomwaffen produzieren kann.

Mir geht es nicht um intellektuelle Akrobatik, sondern um Ressourcen. Die Frage ist, wie geben wir unser Geld aus? Wo schicken wir unsere Leute hin? Und die Antwort kann nicht in militärischen Metaphern liegen.

Warum nicht?

Wenn wir von Cyberkrieg sprechen, verschwenden wir Zeit und Geld, weil wir an der falschen Stelle investieren. Stattdessen müssten wir die Nachrichtendienste und die Polizeibehörden ausbauen. Vor allen Dingen müssen sie von ihrem Schlapphut-Image wegkommen und auch für Leute mit Tattoos und Hoodies attraktiv werden. Das ist wichtig, um die liberale Demokratie zu verteidigen. Ich meine, die Russen sind auf diesem Gebiet sehr aggressiv.

Kann denn die Antwort darin bestehen, ebenfalls zu solchen Mitteln zu greifen?

Es ist nicht akzeptabel für eine westliche Demokratie, zivile Ziele anzugreifen, die völlig unschuldig sind. Es hat auch in den 70er- und 80er-Jahren bereits Spionage und Sabotage-Aktionen seitens östlicher Dienste gegeben. Damals war es völlig klar, dass der Westen nicht im großen Stil Desinformation betreibt oder mit Lügen zurückschlägt. Es gibt einfach Methoden, die sind für eine Demokratie nicht akzeptabel. Das gilt auch für den digitalen Bereich. Dazu gehört zum Beispiel so etwas wie NotPetya (eine Schadsoftware; Anm. d. Red.) oder zurückzuhacken. Interview: W. Stieler

MATERIAL

Drucksensor aus Balsaholz

Ein Balsaholz-Schwamm ist so leicht, dass er sogar von einer Pusteblume getragen werden kann. Foto: C. Chen et al.

Balsaholz ist bekannt für sein geringes Gewicht. Doch es geht noch leichter: Durch eine chemische Behandlung konnten Forscher seine Dichte auf ein Fünftel senken (DOI: 10.1016/j.chempr. 2017.12.028). Liangbing Hu und sein Team an der University of Maryland kochten Balsaholz dazu mehrere Stunden in einer Lösung aus Natriumhydroxid und Natriumsulfit. Dabei zerbrachen die starren Zellen, und ein Großteil des Lignins und der Hemizellulose wurden ausgewaschen. Zurück blieb eine poröse Masse aus Zellulose. Diese kochten die Forscher mehrere Stunden in einer Wasserstoffperoxid-Lösung, wobei eine flexible Mikro-Wabenstruktur entstand. Sie ließ sich über einen Verkohlungsprozess bei 1000 Grad Celsius dauerhaft zu einem schwammartigen Material stabilisieren. Es war weicher als Balsaholz und ließ sich viele tausend Male zusammenpressen. Dabei änderte sich zudem sein elektrischer Widerstand, sodass es sich auch als Drucksensor eignet.

Liangbing Hu kann sich vorstellen, seine Holzschwämme zur Reinigung belasteten Wassers oder als Gerüst für Batterie-Elektroden oder Kondensatoren zu nutzen. Im Unterschied zu chemisch synthetisierten Graphen- oder Carbonfaser-Materialien basiert der Holzschwamm-Werkstoff auf einem natürlichen Rohstoff und ist damit nachhaltiger und günstiger zu produzieren. JAN OLIVER LÖFKEN