MIT Technology Review 8/2018
S. 68
Fokus
Ernährung

Es brummt nicht mehr

Das Insektensterben ist schlimm für die Natur. Aber die Landwirtschaft ist weniger betroffen als befürchtet.

Mitte Mai standen die Kunden eines Hannoveraner Penny-Marktes vor vielen leeren Regalen. Die Filiale hatte zum Weltbienentag alle Produkte ausgeräumt, die es in einer Welt ohne Bienen und damit ohne deren Bestäubung nicht gäbe. Mit eindrücklichem Ergebnis: 60 Prozent des Angebots fehlten. Es gab keine Äpfel und Melonen, keine Fertiggerichte wie Pizza mit Sonnenblumenöl, keinen Fruchtjoghurt, mangels Kakaobohnen keine Schokolade und auch keine Pflegeprodukte mit Pflanzenextrakten. Gemüse wie Tomaten und Brokkoli, Brot und andere Getreideprodukte sowie Wein aus Trauben und Bier aus Hopfen waren dagegen erhältlich. Alle diese Pflanzen werden vom Wind bestäubt, befruchten sich selbst oder vermehren sich durch Triebe.

Gelungene PR-Aktionen wie diese, mit der das Penny-Mutterunternehmen Rewe und der Naturschutzbund Deutschland auf die Bedeutung der Bienenpopulationen aufmerksam machen wollten, bleiben im Gedächtnis haften. Auch die Bilder aus China, die Menschen bei der Bestäubung von Obstplantagen zeigen, weil in manchen Regionen die Bienen bereits ausgerottet sind, verdeutlichen das Problem. Und immer mehr Studien stellen einen starken Rückgang bei vielen Insektenarten fest. Laut einer der größten Untersuchungen, die vorigen Herbst im Fachjournal „PLOS One“ veröffentlicht wurde, hat sich die Gesamtzahl der Fluginsekten in Deutschland in den vergangenen 27 Jahren um 75 Prozent verringert.