MIT Technology Review 11/2019
S. 50
Horizonte
Medizin
Foto: Shutterstock

Ist Alter eine Krankheit?

Viele Forscher ­suchen nach Wirkstoffen, die die Folgen des Alters kurieren. Ihr Ziel ist allerdings nicht mehr wie früher ein ­möglichst langes Leben, sondern ein möglichst gesundes Altwerden.

Von Erika Hayasaki, Jo Schilling und Stephen S. Hall

Die schwarze Maus auf dem Bildschirm liegt im Sterben. Ihre Organe versagen. Sie hat Progerie, eine Krankheit, die das Altern durch eine Genmutation beschleunigt. Dann zeigt Juan Carlos Izpisúa Belmonte, ein spanischer Wissenschaftler am Salk-Institut für biologische Studien in San Diego, etwas, das schwer zu glauben ist: dieselbe Maus, lebendig und aktiv. Er hat sie mit einem Elixier behandelt, das den Alterungsprozess umkehrt. „Sie verjüngt sich vollständig“, sagt Izpisúa Belmonte. „Wenn man sie untersucht, sind alle Organe, alle Zellen jünger.“ Die Maus, so scheint es, hat aus einem Jungbrunnen getrunken, der die Zeit zurückdreht.

Izpisúa Belmonte hat sogenannte epigenetische Markierungen der Mauszellen zurückgesetzt: Chemische Schalter in einer Zelle, die bestimmen, welche Gene an- und welche ausgeschaltet sind. Werden diese Marker gelöscht, weiß eine Zelle nicht mehr, ob sie eine Haut- oder eine Knochenzelle ist und kehrt zu einem viel primitiveren, embryonalen Zustand zurück. Mit zunehmendem Alter kommen mehr dieser Schalter hinzu, als Folge funktionieren die Zellen immer weniger effizient. Einige Wissenschaftler, darunter auch Izpisúa Belmonte, glauben, dass sie Teil des Alterungsprozesses sind. Wäre das so, könnte das Löschen dieser epigenetischen Veränderungen das Altern selbst umkehren.