MIT Technology Review 8/2020
S. 34
Horizonte
Umwelt
Nur ein Gerüst aus Fasern bleibt vom Holz übrig, wenn man das Lignin aus ihm entfernt – so wie hier bei einem Ulmenstamm. Foto: Power and Syred/ Science Photo Library

Holz statt Öl

Lignin gehört mit Zellulose und ­Chitin zu den häufigsten organischen ­Verbindungen auf der Erde – allerdings macht niemand etwas daraus. Bis jetzt. Forscher und ­Firmen beginnen, das Biopolymer zu spannenden Produkten zu verwerten.

Von Tim Schröder

Keine Frage, Holz ist ausgesprochen vielseitig. Der Marktplatz von Sevilla ist mit einem mächtigen, 150 Meter langen Schirm aus Holz überspannt; im norwegischen Brumunddal wurde unlängst der Mjøstårnet eingeweiht, das mit fast 86 Metern höchste Holz-Hochhaus der Welt. Doch das ist nichts im Vergleich zu dem, was Ingenieure und Wissenschaftler künftig noch mit Holz anfangen wollen: im großen Stil Plastik aus Holz herstellen. Flugzeuge mit Carbonfasern aus Holz sollen sich in die Luft erheben. Und es sieht ganz so aus, als würden in wenigen Jahren Autos auf Reifen aus Holzbestandteilen über die Straßen brausen.

Forscher haben dafür jenen Stoff im Blick, der das Holz erst zum kompakten Werkstoff macht – das Lignin. Fast alle aufragenden Pflanzen stabilisieren sich damit: Bäume, Büsche und auch feste Gräser. Lignin ist eine druckfeste, sehr widerstandsfähige Substanz, die in die Zellwände der Pflanzen eingelagert ist und dem Gewebe Halt gibt. Dass die Sequoia-Mammutbäume im Westen der USA unter ihrem Gewicht von vielen Hundert Tonnen nicht einfach zusammenbrechen, liegt am Lignin.