MIT Technology Review 3/2021
S. 76
Fokus
Neues Essen
Illustration: Kate Dehler

Das neue Fleischpflanzerl

Unsere Landwirtschaft und die Art, wie wir uns ernähren, nähert sich ihrer Belastungsgrenze: Die Zahl der Menschen steigt, die landwirtschaftlichen Flächen schrumpfen. Immer mehr Technik ist nötig, um das Maximum aus der Erde zu holen (S. 88). Und die Art, wie wir uns ernähren, beeinflusst massiv unser Klima, denn der moderne, wohl­­situierte Mensch isst am liebsten ressourcenintensives Fleisch. Je besser es uns geht, desto eher stammen die Proteine, die wir essen, aus Tieren (S. 82). Alternativen für Fleischfreunde sind gefragt. Weltweit arbeiten dutzende Start-ups an künstlichem Fleisch (S. 76) und dem perfekten Fleischimitat aus Tier und Pflanze. Aus wenigen Tierzellen soll künftig das Steak wachsen. Oder – gleiche Technik, andere Zielgruppe – Ersatznahrung für Säuglinge: Muttermilch (S. 84). Die Grundlage für diese neue Nah­rung ist ein virtuoser Umgang mit genetischem Material. Und selbst wenn wir uns weiter tierisch ernähren – kommen wir an gentechnisch verändertem Essen vorbei (S. 90)? Gezüchtetes Fleisch aus dem Labor ist immer noch zu teuer. Mischt man es aber mit pflanzlichem Fleischersatz, könnte es den Sprung auf unsere Teller schaffen.

Von Niall Firth

Vor zehn Jahren wurde Jessica Krieger Veganerin, nachdem sie einen Dokumentarfilm über grausame Schlachtpraktiken sah. Sie hätte es wie viele andere dabei bewenden lassen können. Doch die angehende Neurowissenschaftlerin sorgte sich auch über den Beitrag der Fleischindustrie zum Klima­wandel. Und als ihre Versuche, Freunde und Familie ebenfalls vom Fleischverzicht zu überzeugen, scheiterten, da „habe ich es vorgezogen, lieber eine verrückte Idee zu verfolgen, als nichts zu tun.“

Krieger stürzte sich in ein Randgebiet der Biotech-Forschung: das Züchten und Ernten von essbaren Tierzellen. Die Technologie verspricht den Geschmack und die Textur von Fleisch zu reproduzieren, ohne empfindungsfähige Lebewesen töten zu müssen – und ohne die enormen Umweltkosten für ihre Aufzucht. Gezüchtetes Fleisch verbreitet keine Krankheiten und braucht keine Antibiotika, die arzneimittelresistente Bakterien erzeugen, betonen seine Anhänger.