MIT Technology Review 4/2021
S. 34
Arbeitswelten
Die virtuelle Fabrik

Virtuelle Realität am laufenden Band

In der Unterhaltungswelt ist der Hype um Augmented und Virtual Reality deutlich zurückgegangen – in der Arbeitswelt beginnen sie jedoch gerade erst ihr Potenzial zu entfalten. AR und VR sollen den Umgang mit immer komplexerer Produktionstechnik einfacher machen. 

Von Peter Gabriel und Marcel Kappel

Stellen Sie sich vor, die Maschinenführerin setzt ihre halbtransparente Datenbrille auf, geht durch die Produktionshalle und kontrolliert die Spritzgussmaschinen. Ihr Brillendisplay zeigt ihr die Betriebsparameter – bei der letzten Maschine ist anscheinend die Rückstromsperre verschlissen. Damit sich in den Oberflächen der Werkstücke keine Löcher bilden, muss sie die Sperre austauschen. Es ist ihr erster Austausch bei diesem Maschinentyp und sie schaut sich zunächst in der Brille eine Explosionszeichnung der Dosierschnecke an, zu der die Sperre gehört. Die Brille leitet sie dann Schritt für Schritt durch die Wartung. Am nächsten Tag setzt sie sich mit einer VR-Brille an eine virtuelle Simulation der Maschine, um die Optimierung der Prozessparameter zu üben. Dafür winkt am Ende ein Zertifikat der örtlichen IHK. Noch ist das eine Vision, aber die Wirklichkeit rückt näher.

Durch Augmented Reality unterstützt, übt die Technikerin komplizierte Montageschritte an einem Fahrzeugmotor.
Foto: BMW

Die Konzepte Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) gibt es schon seit den 1950er Jahren – einen regelrechten Hype löste aber erst 2012 die VR-Brille Oculus Rift des gleichnamigen US-Start-ups aus, das heute zu Facebook gehört. Diese Brille war erschwinglich und ermöglichte dennoch das Eintauchen in hochwertige virtuelle Welten. Mittlerweile gibt es VR-Brillen von vielen verschiedenen Herstellern. Augmented-Reality-­Brillen sind technisch aufwendiger und deshalb vielfach noch im Experimentierstadium. Aber mit Geräten wie der Hololens 2 von Microsoft lassen sich bereits heute Testszenarien in Fabriken erproben – und der Ansatz ist auch nicht mehr auf diese eine Art von Geräten beschränkt. So bieten die meisten Autohersteller, von VW bis BMW, für ihre Fahrzeuge sogenannte Head-up-Displays an, die Fahrinformationen wie Tempo und Drehzahl oder Navigationshinweise in das Sichtfeld des Fahrers einblenden.