AirPods Max: Apples neue kabellose Bügel-Kopfhörer im ganz persönlichen Hörtest

Binnen Tagen waren die beinahe 600 Euro teuren Kopfhörer auf Monate ausverkauft. Wir haben einen ausprobiert.

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(Bild: Volker Weber)

Lesezeit: 14 Min.
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Apple-Kopfhörer befeuerten schon seit Jahren die Phantasie. Wenn Apple schon Beats aufkauft, dann würden sie doch in Zukunft sicher Beats mit Apple Logo bauen. Weit gefehlt: Beats blieb Beats und Apple baute mit den AirPods eine neue, extrem erfolgreiche Marke auf. Aber dass es nach Ohrstöpseln irgendwann auch reguläre Kopfhörer geben würde, war offensichtlich.

Die neuen AirPods Max sind ein Statement. Mit den aus Aluminium gefrästen Ohrmuscheln, den Edelstahl-Teleskoparmen und dem weichen Mesh sieht er anders aus als andere Headsets, und er fühlt sich auch ganz anders an. Und um gleich zur Sache zu kommen: Ja, er klingt sehr gut; und die aktive Geräuschunterdrückung funktioniert, mindestens auf dem Niveau von Bose und Sony. Aber jetzt der Reihe nach.

Bei den smarten Funktionen sieht man große Parallelen zu den AirPods Pro. Angetrieben von H1-Chips, mit hybrider Geräuschunterdrückung, die nach innen und außen horcht, sowie einem Transparentmodus, der die Illusion schafft, man trage gar keine Kopfhörer, das ist alles sehr ähnlich.

Ebenfalls bekannt von den bestehenden AirPods ist die Leichtigkeit, mit der sich Kopfhörer und Apple-Gerätschaften miteinander verbinden. In die Nähe von iPhone, iPad oder Mac bringen – schon erscheint ein Dialog, der mit einfachem Klick die Verbindung herstellt, die fortan für alle Apple-Geräte des gleichen iCloud-Kontos gelten. Das ist vorbildlich.

Im Karton: Headset, Lightning Ladekabel mit USB-C, Case und etwas Papier. Kein Audio-Kabel.

(Bild: Volker Weber)

Eine weitere Gemeinsamkeit von AirPods Pro und AirPods Max ist der erst in diesem Jahr bei Apple eingeführte 3D-Sound, im englischen Original "Spatial Sound" genannt. Der H1-Chip kann Dolby Atmos sowie 5.1 und 7.1 dekodieren und den Raumklang über die beiden Ohrhörer projizieren.

Das verbindet Apple mit den Lage- und Beschleunigungssensoren in AirPods und iPad oder iPhone: Damit bleibt die Soundkulisse relativ zum Bildschirm stehen, auch wenn sich der Kopf oder das iPad bewegen. Das ist so selbstverständlich, dass man das ganz bewusst ausprobieren muss, um es zu bemerken. Und danach fehlt es bei allen anderen Kopfhörern.

Den 3D-Sound gibt es nur bei Videos und in Apps, die den Raumklang auch per Bluetooth an den Kopfhörer übertragen. Dazu gehören Apple TV (App) und Disney Plus, aber nicht Netflix oder Amazon Prime Video. Enttäuschend ist, dass man diesen 3D-Sound nicht mit Apple TV (Streaming Box) nutzen kann. Sonst hätte man zum großen Bildschirm auch großen Ton, wenn der Rest der Mitbewohner nicht gestört werden soll. Das ist insoweit verständlich, dass ein Apple TV anders als iPad und iPhone keine Auskunft zur Lage des Bildschirms geben kann.

Die H1-Chips ermöglichen eine digitale Signalverarbeitung, die Apple Computational Audio nennt. So wie Computational Photography aus kleinen Sensoren und kleinen Objektiven Fotos hervorzaubert, die man vorher nur mit deutlich aufwändigerer Hardware abbilden konnte, so ermöglicht diese Technologie eine genaue Anpassung der Musikwiedergabe an die tatsächlich vorhandenen Gegebenheiten und nicht an die idealen Laborbedingungen.

Wenn ein Kopfhörer am Kopf dicht abschließt, dann leckt der Bass nicht unter dem Kissen heraus. Das ändert sich, sobald man eine Brille aufsetzt. Deshalb vergleichen die AirPods Max durch ein innenliegendes Mikrofon 200 mal pro Sekunde das tatsächliche Klangbild mit dem Soll und regeln den Equalizer nach. Bei den AirPods Pro macht Apple bei der Einrichtung etwas ähnliches, wenn es den korrekten Sitz der Silikon-Einsätze prüft.

Die Ohrmuscheln sind gut belüftet, von einem Mesh überzogen und haften magnetisch in den Ohrmuscheln. Nimmt man sie raus, dann erkennt man den optischen Tragesensor.

Die aktive Geräuschunterdrückung wird ebenfalls durch diese Signalverarbeitung ermöglicht. Auf jedem Ohr horchen drei Mikrofone nach außen und eins nach innen. Aus dem Signal der ersten drei Mikrofone berechnen die H1 Chips ein phasenverschobenes Signal, das den Lärm auslöschen soll, das Vierte passt dieses Signal erneut an, indem es sich das Ergebnis in der Ohrmuschel anhört. Die AirPods Pro machen das mit zwei Mikrofonen außen und einem innen.

Die AirPods Max haben den zusätzlichen Vorteil, dass die Polster auf den Ohren den Lärm bereits besser dämpfen als die relativ lose sitzenden Ohrstecker. Das Ergebnis ist so spektakulär wie bei den Bose QC35 und NC700 oder dem Sony 1000XM4. Der Umgebungslärm verschwindet einfach. Apple legt aber noch einen drauf: In leiser Umgebung rauscht diese Geräuschunterdrückung nicht. Theoretisch kann man ANC abschalten, in der Praxis wird das nicht nötig sein.

Apple beschreibt mit blumigen Worten viele Eigenschaften der AirPods Max, die völlig selbstverständlich sind. Neodym-Magnete werden von allen Herstellern für den Antrieb von Kopfhörern eingesetzt, und 40 mm große Treiber sind längst Standard, auch bei Billigware. Shure verbaut in dem hervorragenden Aonic 50 Treiber mit 50 mm Durchmesser, was für 56% größere Membranen und entsprechend mehr Volumen sorgt.

20 Stunden Batterielaufzeit sind ebenfalls keineswegs ungewöhnlich, sondern entsprechen dem Stand der Technik. Andere Hersteller kommen auch schon auf 35 bis 50 Stunden. Acht Mikrofone zur Geräuschunterdrückung werden auch von Jabra beim Elite 85h verwendet, davon vier für die Telefonie, während Bose beim NC 700 sechs für das ANC und vier für die Telefonie nutzt. Beim AirPods Max dient ein Mikrofon allein der Sprachaufzeichnung und wird von zwei weiteren der ANC -Mikros unterstützt, um die Stimme aus den Umgebungsgeräuschen zu isolieren und Windgeräusche zu minimieren.

Ich habe mit einem Schweizer Kollegen telefoniert: Wir haben beide festgestellt, dass der AirPod Max exakt so klingt, als ob man sich das iPhone an den Kopf hält. Wir mussten erst einmal sicherstellen, dass die Sprache tatsächlich vom Kopfhörer und nicht vom iPhone aufgenommen wurde. Man sollte allerdings den Transparenzmodus einstellen, sonst beginnt man zu schreien, da man sich selbst nicht hört, wenn das ANC an ist.

AirPods und Beats mit Apples H1-Chip lassen sich an das Hörvermögen anpassen. Das geht entweder mit einfachen A/B Test oder einem in Apple Health abgelegten Audioprofil.

(Bild: Volker Weber)

Ich habe den AirPods Max mehrfach mit meiner gut zwei Stunden langen Playlist (Apple Music, Spotify) gehört, einmal bei ganz geringer Lautstärke, einmal bei mittlerer und dann ein paar Kracher richtig laut. Dabei gibt es ein paar Momente, die einfach stimmen müssen. Der Einstieg von Led Zeppelin in Kashmir muss fetzen, bei der Live-Aufnahme von Hotel California muss die Basstrommel ganz trocken rüberkommen, die sehr technischen Aufnahmen von Boris Blank, etwa mit Till Brönner oder Malia, müssen spitz und glasklar auftreten. Limit To Your Love deckt gnadenlos alle Schwächen im Bassbereich auf, ebenso Fantasy von The xx. Bei Angel oder Unfinished Sympathy von Massive Attack fehlen bei schlechteren Lautsprechern die tiefen Töne. Bury a friend von Billie Eilish bringt manche Headsets zum Dröhnen.

Der AirPods Max zeigte keinen einzigen dieser Fehler. Nichts verzerrt, nichts geht verloren. Bei drahtlosen Kopfhörern mit ANC kenne ich nur wenige, die mithalten können: Etwa der bereits erwähnte Aonic 50 von Shure oder der Momentum von Sennheiser. Aber bei denen ist die Geräuschunterdrückung nicht so intensiv.

Nur dieses Mesh sowie die Ohrmuscheln berühren den Schädel.

(Bild: Volker Weber)

Kopfhörer müssen mehr leisten als nur Klang zu erzeugen. Sie müssen bequem sein und sie müssen nach außen repräsentieren, was der Besitzer signalisieren will. Der Platz am Handgelenk, um den Hals oder auf dem Kopf ist eine wertvolle Projektionsfläche. Darum ist es bemerkenswert, dass Apple weder bei der Uhr noch bei den AirPods ein Logo platziert. Das ist ungewöhnlich, weil die meisten Kopfhörer-Hersteller hier mit ihrer Marke protzen. Apple baut darauf, dass die Produkte auch ohne Logo wiedererkennbar sind. AirPods Max werden in fünf Farben angeboten, wobei vier bereits für drei Monate ausverkauft sind. Das relativiert etwas die Preisdiskussion.

Ob man die AirPods Max nun hübsch findet oder nicht, sei dem persönlichen Geschmack überlassen. Apple greift zwei Bedienungselemente von der Watch auf: Der längliche Knopf schaltet um zwischen Transparenzmodus und Geräuschunterdrückung und die digitale Krone regelt Lautstärke und durch Drücken alle restlichen Funktionen. Einmal drücken ist Start/Stop oder Anruf annehmen bzw. auflegen, zweimal drücken heißt nächstes Lied, dreimal vorheriges Lied. Hält man die Krone niedergedrückt, dann meldet sich Siri. Oder man sagt einfach "Hey Siri".

Die Krone des AirPort Max ist viel größer als die der Apple Watch. Auch die Form des einzigen Buttons hat Apple übernommen.

(Bild: Volker Weber)

Ich persönlich empfinde diese Bedienung als eingängig und zweckmäßig. Haptische und sicher ertastbare Knöpfe halte ich für tauglicher als Touchpads mit Wischgesten. Dabei ist die Teilung zwischen Wiedergabe (Krone) und Geräuschunterdrückung praxisgerecht. Wenn man angesprochen wird, kann man auch eine Ohrmuschel lupfen. Ein optischer Sensor erkennt das und hält die Wiedergabe an, um sie fortzusetzen, sobald man sie wieder aufsetzt. Die Reduktion ist im Übrigen wirklich radikal: Es gibt nicht mal einen Ausschalter. Die AirPods Max erkennen selbst, wenn sie in den Tiefschlaf gehen sollen. Steckt man die Kopfhörer in das Etui, dann machen sie es sofort.

Wie sich das auf die Dauer bewährt, muss sich erst noch weisen. Die Kopfhörer sollen bei mittlerer Lautstärke und eingeschaltetem ANC bis zu 20 Stunden durchhalten, in zwei Stunden vollständig laden, aber nach 5 Minuten bereits genug Strom für 90 Minuten haben. Aufgeladen wird mittels eines Lightning-Kabels mit USB-C am anderen Ende, wie es auch dem iPhone beiliegt. Man kann das gleiche Netzteil verwenden, man kann das USB-Ende aber auch in einen iPad Pro oder einen Mac stecken. Als kabelgebundenes Headset wird es auf dem Wege nicht erkannt, sondern nur aufgeladen. Auf einen Anschluss für Audiokabel muss der AirPods-Nutzer ebenfalls verzichten. Apple verkauft dem Vielflieger aber gerne ein zusätzliches Kabel für den Anschluss im Flugzeug. Eine MacGyver-Lösung mit Audiokabel und dem Lightning-Adapters des iPhones hat nicht funktioniert.

Die Ohrmuscheln werden von einem Edelstahlbügel gehalten und sind mit federgespannten Gelenken befestigt. Das ist stabil und fühlt sich so wertig an wie es aussieht.

(Bild: Volker Weber)

Und jetzt wird es ganz subjektiv. Bei Premiumkopfhörern werden gerne als edel empfundene Materialien verwendet, etwa Holz und Leder. Apple verzichtet darauf und überzieht alle Oberflächen, die man berührt, mit einem Mesh. Das soll den Tragekomfort erhöhen und das funktioniert für mich. Nur die ausziehbaren Arme und das Gelenk sind aus Edelstahl und da ist der Begriff edel schon enthalten. Anders als bei anderen Herstellern rasten diese Arme beim Verschieben auch nicht ein, sondern bleiben einfach sicher stehen.

Mit 385 Gramm ist der AirPods Pro überraschend schwer. Sony 1000XM4 und Bose NC700 wiegen etwa 250 Gramm und Surface Headphones oder Jabra Elite immerhin knapp 300 Gramm. Da spielt Apple schon in einer eigenen Liga.

Was schwer ist, fühlt sich solide an, aber auf dem Kopf kann sowas schnell drücken. Die AirPods Max wirken dem entgegen, indem sie das Gewicht nicht über ein Kissen ableiten, sondern über ein überspanntes Netz, das den Druck auf eine große Fläche verteilt. Obwohl ich keine Haare auf dem Kopf habe, funktioniert das bei mir sehr gut.

Für den Komfort ist ebenfalls entscheidend, wie hoch der Anpressdruck am Kopf ist. Das habe ich mit meinem sehr großen Kopf (Umfang 64 cm) und einem sehr kleinen Kopf probiert, und empfinde sie als sehr angenehm, auch nach vielen Stunden. Das Gewicht spürt man nur, wenn man heftig mit dem Kopf schüttelt. Der eigentliche Metallrahmen berührt meinen Kopf an keiner Stelle. Die AirPods Max liegen nur mit dem Mesh auf.

Man kann den AirPods Max auch mit PCs oder Android-Handys per Bluetooth paaren, aber dann fehlt in der Praxis eine Multipoint-Unterstützung. AirPods Max sind zu jeder Zeit nur mit einem Gerät verbunden. Bei iPhone & Co ist das keine Einschränkung, weil der Kopfhörer mühelos zwischen verschiedenen Apple-Gerätschaften wechselt. So schaltet er nach einem iPhone-Telefonat einfach zum iPad rüber, wenn man dort ein Video guckt, oder zur Apple Watch, wenn man einen Podcast hört und ohne iPhone das Haus verlässt. Umgekehrt kann sich aber ein aktuelles Apple-Gerät mit zwei AirPods gleichzeitig verbinden, wenn man etwa gemeinsam Musik hören oder einen Film schauen will.

Das Apple-Case neben einem Stapel von anderen Boxen: Beats, Jabra, Shure. Die nehmen wesentlich mehr Platz ein.

(Bild: Volker Weber)

Die AirPods Max lassen sich nicht zusammenfalten und kommen auch ohne robuste Schutzhülle. Das mitgelieferte Smartcase schützt nur die Ohrmuscheln und schaltet den Kopfhörer in einen Tiefschlaf. Über die Form ist schon viel gewitzelt worden, das können wir uns sparen. Ich kann mir vorstellen, dass die Zubehörindustrie hier eine Lücke entdeckt, die man füllen könnte.

In jedem Fall schützt das Smartcase zwei empfindliche Bauteile: Die Ohrpolster lassen sich leicht austauschen, da sie magnetisch gehalten werden. Das war bei allen meinen Kopfhörern nach einigen Jahren notwendig. Apple verkauft diese Polster als Ersatzteil und bietet auch einen Akkutausch an.

AirPods Max 2020 (10 Bilder)

Apples 40-mm-Treiber soll für satten Sound sorgen. Man setze einen "einzigartigen Motor aus Doppelring-Neodym-Magneten" ein, so der Hersteller.

Man muss schon ziemlich suchen, um etwas nicht gut zu finden an diesen Kopfhörern. Für Telefonkonferenzen wünscht man sich einen Knopf zum Stummschalten, ohne Schutz gegen Staub und Wasser und wegen seines hohen Gewichtes taugt der AirPods Max nicht für den Sport, der Geschäftsreisende würde ihn sicher gerne zusammenfalten oder im Flugzeug anschließen. 3D-Sound mit Apple TV wäre wirklich sehr schön und wer an High-Bitrate glaubt, wird hier auch nicht glücklich, da sich Apple auf AAC und SBC beschränkt. Aber eingebettet im Apple-System gibt es derzeit nichts Besseres.

Was ich nicht beantworten kann: Soll man Apple knapp 600 Euro für diese Kopfhörer bezahlen? Der Markt teilt sich hier in unterschiedliche Preissegmente auf. Ordentliche Over-Ear-Headsets mit aktiver Geräuschunterdrückung kosten bei Markenherstellern zwischen 200 und 300 Euro, luxuriösere Modelle liegen bei 300 bis 500 Euro. Mit 600 Euro tritt Apple in der nach oben offenen Klasse der Premium-Kopfhörer an, in der man mühelos Geräte für 1000 Euro und mehr findet. Man wird sehen, wie gut sie sich dort auf Dauer verkaufen. Ich möchte nicht dagegen wetten.

AirPods und AirPods Pro hat Apple mehr verkauft als alle anderen Kopfhörer. Die AirPods Max sind noch einmal eine ganz andere Nummer. Sie sind sehr viel teurer, aber auch sehr viel besser.

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