"Assassin’s Creed Shadows" im Test: Das beste "Assassin’s Creed" seit Langem

Die "Assassin’s Creed"-Serie vereint in Shadows die Wurzeln der Serie mit der Moderne – was zu einem sehr beeindruckenden Resultat führt.

vorlesen Druckansicht 130 Kommentare lesen
Screenshot aus "AC Shadows"

(Bild: Ubisoft)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Paul Kautz
Inhaltsverzeichnis
close notice

This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Die "Assassin’s Creed-Reihe" ist jetzt schon fast 20 Jahre alt. In dieser Zeit sind satte 13 Hauptteile (und noch mehr Ableger) erschienen – und "Shadows" ist der erste, der sich um Japan und Ninja dreht. Also die Dinge, an die man normalerweise noch vor alten Römern, Griechen oder Wikingern denkt, wenn "schleichende Attentäter" das Thema sind. "Assassin's Creed" und Japan, das passt einfach.

Japan durchlief im ausgehenden 16. Jahrhundert eine seiner politisch wildesten und auch blutigsten Zeiten: Auf dem Höhepunkt der Sengoku-Periode war das Reich zutiefst gespalten, der Kaiser hatte keine Macht mehr. Dutzende Provinzen kämpften erbittert gegeneinander um die flüchtige Vorherrschaft, während die ersten christlichen Missionare sich und ihren Glauben immer weiter ausbreiteten. Erst mit dem bestimmten Auftreten von Fürst Oda Nobunaga kehrte etwa ab 1560 wieder ein Hauch von Ordnung zurück.

Und genau dieser Fürst (beziehungsweise Daimyou) ist die zentrale Figur in "Assassin’s Creed Shadows". Denn das spielt rund 20 Jahre später, als sich Nobunaga auf dem Höhepunkt seiner Macht befand und Japan für ausländische Gäste und Händler geöffnet hatte. Allerdings spielt man hier nicht Nobunaga, sondern zunächst einmal einen dieser Gäste: Den Afrikaner Yasuke, der als Sklave von portugiesischen Priestern nach Japan kam und dort von Nobunaga an seinen Hof genommen und zum Samurai gemacht wurde – was ebenfalls geschichtlich verbürgt ist, wodurch Yasuke der erste historische Protagonist der "Assassin’s Creed"-Serie ist.

"Assassin's Creed Shadows" im Test (16 Bilder)

"Shadows" sieht zum Teil atemberaubend schön aus. (Bild:

heise online

)

Allerdings spielt Yasuke erstmal nur im vergleichsweise kurzen Prolog eine Rolle. Denn danach schlüpft man in die Haut von Naoe Fujibayashi, einer jungen Ninja aus der Provinz Iga. Mehrere Stunden lang durchlebt man in Form von Rückblenden ihre Ausbildung zu einer Meister-Shinobi und ihren Rachefeldzug an den Mördern ihres Vaters, bevor die beiden Handlungen miteinander verwoben werden.

Anders als in früheren Serienteilen, in denen man sich ebenfalls schon zwischen Männlein und Weiblein entscheiden durfte, ist die Wahl zwischen Yasuke und Naoe nicht einfach nur ein Texturenwechsel. Stattdessen repräsentieren die beiden zwei sehr unterschiedliche Spielstile, die wiederum für zwei sehr unterschiedliche "Assassin’s Creed"-Schulen stehen: Früher stand das Schleichen und möglichst unauffällige Ermorden ausgesuchter Ziele im Mittelpunkt, während sich spätere Teile in eine immer actionlastigere Richtung entwickelten.

"Shadows" gleitet jetzt in den verbindenden Spagat: Yasuke ist der schwerbewaffnete Samurai, der Probleme vor allem brachial kämpfend löst; seine Schläge und Tritte sind herrlich wuchtig, er schwingt sein Schwert wie einen Barbarenhammer. Naoe dagegen ist schnell und vor allem in den Schatten unterwegs, die sie im Zweifelsfall durch das Löschen von Kerzen oder Laternen selbst erzeugt. Sie ist natürlich ebenfalls eine kompetente Kämpferin, aber man merkt schnell, dass das nicht ihre ganz große Stärke ist. Anders als das Klettern, da sie nicht zuletzt aufgrund ihres Greifhakens auch höchste Türme elegant und schnell erkraxelt.

Die Spiele der Serie haben sich schon immer durch einen gewissen Grad an Realitätstreue ausgezeichnet. Nein, damit ist nicht der von einem Adlerkreischen begleitete Sprung vom hundert Meter hohen Turm in einen Heuhaufen hinein gemeint, auch wenn es den nach wie vor gibt. Sondern die Vermischung von Erfundenem mit historischen Persönlichkeiten (wie Yasuke, Nobunaga oder der berühmte Samurai Hattori Hanzou) und Lokalitäten.

"Shadows" bleibt dieser Linie treu und verlagert das Geschehen in die zentraljapanische Kansai-Region. Die entspricht dem Aufbau der Region im 16. Jahrhundert und umfasst Provinzen wie Harima, Yamashiro, Settsu, Iga oder Yamato. In denen befinden sich nicht nur etliche historische Bauten, sondern vor allem auch bedeutende Städte wie Osaka, Kobe und Japans ehemalige Hauptstadt Kyoto. All diese Ortschaften sind in einem beeindruckenden Detailgrad nachgestellt, was, den Ubisoft-Gesetzen folgend, für eine ausufernd große Spielwelt sorgt.

Videos by heise

Anfangs wirkt die noch gar nicht so gewaltig, da man innerhalb des Prologs und dem Start des Naoe-Kapitels lediglich in einem überschaubaren Teil davon unterwegs ist. Aber nach und nach öffnet sich die Welt, es kommen mehr und mehr mögliche Reiseziele hinzu. Und allerspätestens, wenn Naoe und Yasuke gemeinsam losziehen, ist auch "Shadows" wieder in der gigantischen Open World angekommen, für die die "Assassin’s Creed"-Serie mittlerweile berühmt ist.

Natürlich ist das mittelalterliche Japan nicht maßstabsgetreu aufgebaut; man soll die Welt schon zu Fuß oder auf dem Rücken eines Pferdes erkunden können, ohne an Altersschwäche zu sterben. Allerdings sollte man trotzdem lieber auf den Spazierschritt verzichten, denn vom schieren Umfang her entspricht "Shadows" ungefähr "Assassin’s Creed Origins", bietet also etwa 80 Quadratkilometer an Raum.