Handheld für Retro-Fans: Analogue Pocket im Test

Seite 2: Bildschirm und Anzeige

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Die größte Besonderheit neben dem FPGA-Konzept ist der hochauflösende und blickwinkelstabile Bildschirm mit IPS-Panel, der durch eine aus Gorilla Glas gefertigte Scheibe geschützt ist. Er löst mit 1600 × 1440 Pixeln bei einer Diagonalen von 3,5 Zoll mit einer extrem hohen Pixeldichte von 615 ppi auf. Zum Vergleich: Ein iPhone 13 kommt "nur" auf 460 ppi.

Die Wahl der Pixelanzahl ist kein Zufall, denn sowohl Nintendos Game Boy als auch Segas Game Gear nutzen eine Auflösung von 160 × 144 Pixeln. Das ermöglicht – zumindest beim Game Boy – eine saubere, ganzzahlige Skalierung. Obendrein ist auch noch Luft für Effekte wie die originalgetreue Darstellung des Pixelrasters der Vorbilder von Nintendo und Sega.

Das geht sogar so weit, dass individuelle Subpixel, also Rot-, Grün- und Blauanteil eines skalierten Pixels, in ihrer Form – und damit im korrekten Seitenverhältnis – nachgestellt werden können. Das ist für Retro-Enthusiasten wichtig: Denn obwohl Game Gear und Game Boy die gleiche Pixel-Anzahl aufweisen, unterscheidet sich das Bildseitenverhältnis.

Wie früher, nur mit bedeutend besserer Technik: Original Game Boy Color (links) im Vergleich mit Analogue Pocket.

Das Originaldisplay des Game Gear (4:3) hat rechteckige Pixel. Der Bildschirm des Game Boy und Game Boy Color (10:9) hat hingegen quadratische Bildpunkte. Die geometrischen Formen der Pixel bestimmen das Bildseitenverhältnis. Game-Boy-Advance- (3:2) und Game-Gear-Spiele werden auf dem Pocket aus diesem Grund originalgetreu mit schwarzen Balken am oberen und unteren Bildschirmrand dargestellt, sofern man die Bildgröße nicht händisch verstellt.

Für jedes System stehen neben dem ungefilterten "Analogue"-Modus mehrere Effekte zur Auswahl, die verschiedene Varianten der Originaldisplays simulieren sollen. So wählt man im Game-Boy-Modus etwa die Optik des klassischen grünen Game-Boy-"DMG"-Bildschirms, des Game Boy Pocket oder sogar die des seltenen Game Boy Light aus. Außerdem gibt es eine rote "Pinball Neon Matrix", die an den Virtual Boy erinnert. Wer im Game-Boy-Color-Modus spielt, kann das Original-Displayraster auswählen.

Im Game-Boy-Advance-Modus wählt man zwischen dem unbeleuchteten Ur-GBA- und dem beleuchteten SP101-Display. Die Beleuchtung des Pocket ist immer aktiv, die Software schraubt aber an der Farbsättigung. Ähnliches gilt für den Game Gear mit den Modi "GG" und "GG+". Hier wird das Streifenraster des Original-Passiv-Matrix-LCDs vorgegaukelt und jeweils die Farbsättigung verändert. Das alles sieht auf dem kleinen Bildschirm sehr authentisch aus.

Wer es noch nostalgischer mag, schaltet über den Menüpunkt "Frame Blending" eine Bewegungsunschärfe hinzu, die die Trägheit alter LC-Displays simuliert und auch flackernden Transparenzeffekten entgegenwirkt. Eine extreme Schlierenbildung wie auf dem original Game Boy hat man jedoch nicht zu befürchten, wäre aber ein lustiges Gimmick gewesen.

An sich hat der Bildschirm des Pocket eine sehr neutrale Farbdarstellung, aber gerade in den Modi Game Boy Color und GBA wirken die Farben bisweilen zu kräftig. Das liegt daran, dass die Spiele für unbeleuchtete Bildschirme optimiert wurden und damit von Natur aus etwas blasser erscheinen. Der Regler für die Farbsättigung funktioniert in jedem Bildmodus und schafft hier Abhilfe.

Die separat erhältliche Dockingstation verbindet den Pocket mit einem Fernseher und macht einen stabilen Eindruck. Außer einem HDMI-Anschluss beherbergt das Dock zwei USB-A-Anschlüsse für kabelgebundene Controller. Kabellose Controller verbindet man über Bluetooth oder via proprietärer 2,4-GHz-Schnittstelle ohne zusätzlichen Dongle. Letztere hat den Vorteil einer geringeren Eingabelatenz, funktioniert aber nur mit Zubehör vom Hersteller 8BitDo. Die Verbindung mit PlayStation-4- und Xbox-One-Bluetooth-Controllern klappte im Test einwandfrei.

Die Bildausgabe des Docks ist auf maximal 1080p (Full HD) begrenzt und erlaubt dadurch nicht exakt dieselbe Skalierung wie der integrierte Bildschirm. Die zusätzliche Möglichkeit der Bildausgabe in 1440p wäre schön gewesen, denn zum Beispiel viele 27-Zoll-Monitore laufen mit dieser Auflösung. In der Praxis ist das Bild am heimischen Full-HD- oder 4K-Fernseher trotzdem sehr gut. Auf traditionelle Scanlines hat man diesmal zugunsten der Filtereffekte verzichtet, zumal diese auch besser zu Handheld-Spielen passen.

Außer zum Spielen kann man den Analogue Pocket auch zum Musizieren nutzen. Die aus der Chiptune-Szene bekannte Game-Boy-Sequencer-Software Nanoloop ist vorinstalliert und lässt sich mittels separat erhältlicher MIDI-Adapterkabel mit Musikequipment verbinden.

Entwicklern eigener Game-Boy-Spiele erleichtert der Pocket das Testen von Eigenkreationen mittels integrierter GB-Studio-Schnittstelle. Die auch für Anfänger geeignete und frei erhältliche Software für Linux, macOS und Windows legt das Endergebnis als .pocket Datei ab, die man anschließend via MicroSD-Karte direkt auf der Konsole abspielt.

Der bei Analogue-Geräten schon fast obligatorische "inoffizielle" Jailbreak, der meist kurze Zeit nach Veröffentlichung der Hardware erscheint und das Laden von ROM-Abbildern via SD-Karte ermöglicht, ist bisher ausgeblieben. Erstmals können Hobby-Entwickler an einer Analogue-Konsole Hand anlegen: Der neue Ansatz besteht darin, einen zusätzlich eingebauten, kleineren FPGA für Entwickler zugänglich zu machen und damit beispielsweise vom Erfolg der MiST-Community zu profitieren. Der Haupt-FPGA bleibt dabei jedoch Analogue vorbehalten.

Analogue Pocket
Mobile Spielkonsole
Hersteller, URL Analogue, analogue.co
Hardware Altera/Intel Cyclone V FPGA; Intel Cyclone 10 FPGA (getestet mit Firmware 1.0B)
Bildschirm 3,5 Zoll, 1600 × 1440 Pixel, 10:9, 615 ppi, variable Bildwiederholrate
integrierter Flash-Speicher keiner, erweiterbar via MicroSDHC-Karte
Modulschacht Nintendo Game Boy, Game Boy Color, Game Boy Advance; separat erhältliche Adapter für Sega Game Gear, Atari Lynx, SNK Neo Geo Pocket
Akku, Laufzeit 4300 mAh, fest eingebaut, ca. 4:30 h bei 100 % Bildschirmhelligkeit
Anschlüsse Konsole: 3,5 mm Klinke, Link-Port, USB-C, SD-Kartenslot; Dockingstation: 2 × USB-A, 1 × USB-C, 1 × HDMI
Videoausgabe Dockingstation: HDMI bis zu 1080p60
Audioausgabe Konsole: Stereolausprecher; Dockingstation: PCM Stereo über HDMI
Drahtlosverbindung Konsole: Infrarot (Game Boy Color); Dockingstation: Bluetooth, proprietäre 2,4 GHz Verbindung für 8BitDo-Controller
Stromaufnahme bis zu 15 W
Bedienung Powertaste, Laut/Leise, Steuerkreuz, Home-Taste, 6 Aktionstasten, 2 Schultertasten
Zubehör USB-C-Netzteil (18 €), Dockingstation inkl. Netzteil (89 €), Modul-Adapter (27 €), Link-Kabel (14 €), Nanoloop MIDI-Kabel (18 €), Nanoloop Analog-Sync-Kabel (18 €), Nanoloop USB-MIDI-Kabel (18 €)
Preis 195 € (vorbestellbar für 2023)

Analogue liefert mit dem Pocket eine Konsole, die mit ausgezeichneter Kompatibilität und Präzision ihre Retrovorbilder akkurat nachahmt und teilweise, etwa bei der Bildqualität, sogar übertrumpft. Und durch das Dock kommt man auch am TV in den Genuss der riesigen Spielbibliothek von Game Boy & Co.

Der Funktionsumfang ist derzeit ordentlich, aber noch unvollständig. Für die Firmware-Version 1.1 sind Gimmicks wie das Übertragen von Bildern aus der Game-Boy-Kamera auf eine SD-Karte angekündigt. Außerdem sollen bislang unzugängliche Menüpunkte, etwa zum Anpassen der Tastaturbelegung, aktiv werden. Der entwicklerfreundliche Community-Ansatz weckt Hoffnung auf mehr.

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(des)