Das steckt in Ikea Trådfri

Ab April 2017 will IKEA erstmals Smart-Home-Geräte in Deutschland anbieten. Wir haben ein paar der per ZigBee-Funk steuerbaren LED-Birnen und Leuchten besorgt und die Hard- und Software durchleuchtet.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 66 Kommentare lesen
Zwei Ikea-Tradfri-Lampen und eine Fernbedienung vor der blau-gelben schwedischen Flagge
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Markus Ulsaß
Inhaltsverzeichnis

Seit Oktober gibt es die LED-Birnen und Leuchten von Ikea bereits in Schweden, Tschechien, Italien und Belgien. Wir haben uns ein paar der Geräte in Brüssel besorgt, die Hard- und Software durchleuchtet und untersucht, wie sie sich in bestehende Heimautomationslösungen einbauen lassen.

Genau bekannt ist das Sortiment für den deutschen Markt zwar noch nicht, vermutlich wird es sich aber nicht groß unterscheiden. Die zugrundeliegende Funktechnologie ZigBee ist für den europäischen Markt zugelassen und unterliegt in Deutschland keinen Beschränkungen. Bisher gibt es vier verschiedene Trådfri-Birnen (schwedisch für drahtlos):

  • GU10-Fassung mit 400 Lumen
  • E14-Sockel mit 400 Lumen (matt, Plastik-Kuppel)
  • E27 mit 950 Lumen (klar)
  • E27 mit 980 Lumen (matt)

Die einzelnen Birnen liegen in Belgien preislich zwischen 20 und 25 Euro. Dazu gibt es ein „Dimset“ (Fernbedienung und E27-Birne mit 980 Lumen/ 35 Euro) sowie eine einzeln erhältliche Fernbedienung (15 Euro). Außerdem werden fünf verschiedene Leuchtpanele angeboten, die als Flächenleuchte (Floatl) bzw. Leuchttür (Surte/ Jormlien) genutzt werden können. Sie starten preislich ab 80 Euro.

Philips Hue white and color und Ikea Tradfri im Größenvergleich

Unsere getesteten E14-Birnen (5 Watt, 400 Lumen, 110 × 60 mm) lassen sich sowohl in sechs Stufen (kurzer, einzelner Druck) als auch stufenlos (langer Druck) dimmen und drei verschiedene sowie stufenlose Farbtemperaturen per Fernbedienung einstellen. Lampen in RGB(W) gibt es (noch) nicht. Die Ikea-Birne mit E27-Sockel (12 Watt) ist laut der Ikea-Webseite mit 125 × 60 mm etwas größer. Im Vergleich misst eine Philips Hue white and color 110 × 60 mm.

Die Tradfri-Fernbedienung

Die Trådfri-Birnen werden per Fernbedienung direkt über ZigBee-Funk angesteuert – zum verwendeten Standard liegen bisher aber keine Informationen vor. Die Verbindung (das Pairing) erfolgt indem die Lampe angeschaltet, die Fernbedienung in fünf Zentimetern Entfernung daneben gehalten und gleichzeitig eine Pairing-Taste mindestens 10 Sekunden gedrückt wird. Auf der Fernbedienung leuchtet als Bestätigung eine rote LED. Die Birne zeigt das erfolgreiche Pairing an, indem sie zu dimmen beginnt und dann blinkt. Auf die gleiche Weise kann man die Lampen wieder von der Fernbedienung entfernen. Durch dreisekündiges Drücken der An-/ Aus-Taste lässt sich die Lampe auf die Grundeinstellung (100% Helligkeit, 2700 K) zurücksetzen. Mit sechsmaligen An- und Ausschalten der Stromzufuhr in kurzer Folge lassen sich schließlich die Werkseinstellungen wieder herstellen. Auch die Fernbedienung lässt sich durch eine Tastenkombination zurücksetzen.

Wärmebild der Ikea Tradfri

An eine Fernbedienung können insgesamt zehn Leuchten angeschlossen werden. In Sets verkaufte Fernbedienungen/ Birnen sind bereits ab Werk gepaired. Die Reichweite gibt Ikea mit zehn Metern im Freien bei einer Ausgangsleistung von 14 dBm im Frequenzbereich 2405 – 2480 MHz an. In einfachen Feldtests konnten wir knapp 19 Meter Reichweite im Freien und die Bedienbarkeit durch mindestens ein Stockwerk (je nach Bedingungen sogar durch zwei Stockwerke im Altbau) hindurch nachweisen. Die Lampe wird mäßig warm - wir haben nach längerem Betrieb ca. 55°C per Temperaturfühler in der Mitte des Sockels gemessen.

Durch die direkte Ansteuerung unterscheidet sich das Ikea-System wesentlich von Philips Hue und Osram Lightify. Sie benutzen eine Bridge bzw. ein Gateway, welche die per Smartphone-App oder Browser gesendeten Signale in einem Webserver verarbeitet und dann per Funk und ZigBee-Protokoll weiterleitet. Direktes Ansteuern der Philips- und Osram-Geräte ist nur über Umwege wie zum Beispiel das RaspBee- bzw. ConBee-Modul von Dresden-Elektronik möglich. Ob von Ikea noch eine Bridge oder ein Gateway kommen, ist bisher unbekannt. Wer seine Ikea-Lampen über eine App steuern oder in die eigene Heimautomation einbinden möchte, kann dies mit einem ESP8266-Gateway machen (eine Anleitung dazu erscheint am 2. Februar 2017 auf make-magazin.de). Die Verbindung mit den RaspBee und ConBee-Modulen klappt noch nicht, sie werden derzeit angepasst.

Dafür hat die Fernbedienung noch einige Tricks auf Lager: Mit ihr lassen sich auch Philips Hue-Lampen nutzen. Unsere getestete White-and-Color-Lampe ließ sich ein- und ausschalten sowie stufenlos dimmen und wieder zurücksetzen. Letzteres war bisher nur über Umwege möglich. Eine Veränderung der Farbtemperatur oder der Farbe funktioniert jedoch nicht. Damit ist die Ikea-Fernbedienung eine günstige, wenn auch von der Bedienung nicht so umfangreiche Alternative zum Philips-Hue-Tap-Schalter (ca. 55 Euro). Mit einer Philips Bridge der zweiten Generation ließen sich die getesteten Lampen nicht verbinden.

Produkte aus der Osram Lightify Reihe verstehen sich ebenfalls mit der Fernbedienung. Wir haben die schaltbare Steckdose und einen RGBW-Lichtstreifen getestet: Die Steckdose lässt sich per Ein-/ Ausschalter bedienen, der RGBW-Lichtstreifen an- und ausschalten sowie dimmen. Pairing und Unpairing funktioniert wie bei den Ikea-Birnen. Schließlich kann man mit der Fernbedienung Ikea-, Osram und Philips-Geräte nacheinander anlernen und als Gruppe anlegen. So schaltet man Philips-Hue-Lampe, Osram-Schaltsteckdose und Ikea-Birne gleichzeitig mit einem Klick an und aus.

Erste Hinweise auf das Innenleben geben verschiedene Werte, die bei der Kommunikation zwischen Gerät und – im Falle von ZigBee – dem Koordinator, der Fernbedienung, ausgelesen werden können. Im Netzwerkverkehr lässt sich mit der MAC-Adresse, die bei den IKEA-Geräten mit 00:0B:57 beginnt, der Hinweis auf den Hersteller der Transceiver-Module, Silicon Labs, ermitteln. Auch ein Blick in die öffentlich zugänglichen Unterlagen bei der FCC (Federal Communications Commission, s. Links) gibt Informationen zu der verwendeten Technik, inklusive der Pinbelegung des Transceiver-Moduls und den elektrischen Eigenschaften. Interessanter Hinweis: das Modul beherrscht neben ZigBee auch Bluetooth und Thread im 2.4GHz ISM-Band.

Tradfri im ZigBee-Netzwerkverkehr

Anschließend haben wir die Birne auseinander genommen.

Die Birne lässt sich an der Naht zwischen Halterung und Kuppel mit etwas sanfter Gewalt und Werkzeug trennen.

Zum Vorschein kommt eine Platine mit je sechs kalt- und warmweißen LEDs. Sie sind per Stiftleiste mit einer Basisplatine darunter verbunden und zusätzlich mit einem Alukörper im Birnensockel zur besseren Wärmeableitung verschraubt.

Die runde Platine mit den LEDs


Im Inneren erkennt man das in den FCC-Dokumenten beschriebene Transceiver-Modul, welches rechtwinklig auf der Basisplatine eingelötet ist.

Blick in die Ikea-Tradfri-Birne

Bei näherem Hinsehen entdeckt man, das nur vier Pins (VCC, GND, PB12 und PB13) verbunden sind. Sie führen zum einen zu einem N-Channel MOSFET, der für die Verstärkung der Signale zur Weiterleitung an die LEDs zuständig ist und zum anderen an die Versorgungsspannung. Die Basisplatine übernimmt die Spannungsversorgung und richtet die 230 Volt Wechselspannung per Gleichrichter in Gleichspannung für Transceiver-Modul und LEDs um.

Die Basisplatine: Der graue Blechdeckel ist über die Feder mit dem Alukörper der Birne verbunden und verbirgt das Modul mit dem Mikrocontroller.

Das Transceiver-Modul mit ARM Cortex-M4

Nach dem Entfernen des Blechdeckelchen treten auf dem Transceiver-Modul die Details zur MAC-Adresse zum Vorschein. Verbaut ist ein ARM Cortex-M4 von Silicon Labs aus der Mighty Gecko-Reihe (EFR32MG1P132GI), ein Oszillator und mutmaßlich ein Flash-Baustein.

Das Modul lässt sich auch im ausgebauten Zustand mit Spannung versorgen und mit der Fernbedienung verbinden. Wir haben dazu das Ganze auf einem Steckbrett aufgebaut und die kalt- und warmweißen LEDs mit einer roten und grünen LED simuliert und über NPN-Transistoren von den Pins des Transceiver-Moduls angesteuert.

Aufbau auf dem Steckbrett

Das Oszilloskop verrät Details zur Ansteuerung. Das Dimmen und auch die Anpassung der Farbtemperatur wir durch die Veränderung der Duty-Cycles (Pulsweitenmodulation PWM, Frequenz 600 Hz) der GPIOs PB12 und PB13 gesteuert. An und Aus geschieht per einfachem TTL-High oder -Low.

Auswertung mit dem Oszilloskop

In der Fernbedienung befindet sich das gleiche Modul, dürfte aber wegen der Versorgung mit einer 3 Volt-Lithiumzelle eher im stromsparenden Schlaf-Modus betrieben werden, der erst durch einen Interrupt beim Drücken einer der Fernbedienungstasten beendet wird. Das Transceiver-Modul bleibt ständig empfangsbereit.

Auszug aus dem Packets log


Die Philips-Hue-Lampen sind vor einiger Zeit durch die mangelhafte Implementierung des ZigBee-Protokolls aufgefallen und konnten im Vorbeifahren mit einem Wurm infiziert werden. Durch die geringe Entfernung von fünf Zentimetern beim Zurücksetzen der Geräte will Ikea dem Kapern der Birnen vermutlich entgegenwirken. Auch vermeidet man eine Cloud-Lösung. Damit umgeht man weitere Sicherheits- und Datenschutzprobleme.

Stattdessen lassen sich die Ikea-Lampen einfach bedienen und mit Philips- und Osramgeräten verbinden. Das Interesse schien in den Brüsseler Ikea-Märkten sehr groß zu sein. Sämtliche Birnen mit E27-Sockel, sowie nahezu alle Fernbedienungen waren ausverkauft, als wir unsere Test-Leuchten kauften.

(hch)