Intellivision Amico ausprobiert: Die Konsole mit dem Wollmilchsau-Controller

Seite 2: Spielerische Wundertüte

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Auch die ausprobierten Spiele ließen ein einheitliches Steuerungskonzept vermissen. In dem an "Space Invaders" angelehnten "Astro Smash" bewegt man sich einfach von links nach rechts, indem man die Steuer-Disk in die entsprechende Richtung drückt. Per Tap auf den Touchscreen kann man einen kurzen Boost aktivieren. Im unübersichtlichen "Missile Command" zielt man dagegen mit dem Touchscreen und feuert verschiedene Projektile, indem man auf dem Steuerkreuz links oder rechts drückt.

Jedes Spiel für die Amico ist also eine kleine Wundertüte: Mal zeigt der Touchscreen wie in "Shark! Shark!" nur die verbleibenden Leben an, mal ist er zentrales Steuerelement, mal ist er nur Deko. Schade auch, dass das Gyroskop so selten zum Einsatz kommt: In "Intellivision Skiing" würde es das Steuern des Abfahrt-Skifahrers beispielsweise erleichtern, wenn man ihm auch mithilfe von Gamepad-Neigung durch die Tore lenken könnte.

Die Drehscheibe fand ebenfalls nur selten Verwendung, etwa in "Shark! Shark!", wo man den Fisch durch Rotation wenden kann. Spiele wie das Bomberman-ähnliche "Dynablaster" lassen Gyroskop, Touchscreen und Disk gänzlich ungenutzt und hätten mindestens genauso gut auf jedem erdenklichen Standard-Controller mit Steuerkreuz, Thumbstick und zwei Buttons umgesetzt werden können.

Wie es besser geht, zeigt "Pool & Billiards": Dort kann man mit dem Touchscreen den Queue zuerst grob platzieren, bevor man ihn mit der Steuer-Disk feinjustiert. Wer möchte, kann auf dem Touchscreen sogar den genauen Stoßpunkt auf der Kugel festlegen. Hier merkt man, dass das dänische Entwicklerstudio Pool Legends bereits Erfahrung mit der Entwicklung für die Touchscreens von Smartphones gesammelt hat.

Ippisch hat das als Problem erkannt und verspricht Besserung: Drei der zum Launch vorinstallierten Spiele, die heise online noch nicht ausprobieren konnte, sollen Gyroskop und Touchscreen intensiver nutzen. Als Beispiel nennt Intellivisions Europa-Chef "Farkle", bei dem Würfel vom Touchscreen auf den Monitor geschleudert werden. In "Cornhole" soll man dagegen per Motion-Control Beutel möglichst präzise werfen. Bei künftigen Entwicklungen will Intellivision insgesamt mehr Wert darauf legen, dass die speziellen Fähigkeiten der Controller ausgenutzt werden.

Bei allen von heise online ausprobierten Spielen für die Amico gilt: Wer sich stunden- oder tagelang in riesigen Videospielwelten verlieren will, ist hier verkehrt. Alle gezeigten Spiele sind eher was für zwischendurch, für ein paar Minuten zocken mit den Kumpels und Freundinnen oder einen entspannten Abend mit der Familie. Die Preise beginnen ab 5 Euro, sechs Titel sind beim Kauf für 280 Euro bereits inbegriffen: "Intellivision Skiing", "Astrosmash", "Cornhole", "Intellivision Farkle", "Shark! Shark!" und ein noch nicht angekündigtes Spiel. Alle Titel nehmen zwischen 200 Mbyte und 1,1 GByte an Speicherplatz ein, die Konsole hat 32 GByte Platz. Zusätzliche Spiele kann man auf einer MicroSD-Karte unterbringen.

In der Amico-Community wird viel darüber spekuliert, ob die Latenz bei Controller-Eingaben ungewöhnlich hoch ist – ein Eindruck, der offenbar durch missverständliche Videoszenen entstanden ist. Tatsächlich konnten wir keine merkliche Verzögerung zwischen Input und Reaktion feststellen, die Eingabe fühlte sich genauso latenzarm an wie bei anderen Spielkonsolen. Einige Spiele steuerten sich zwar etwas träge, das lag aber stets an der Software-Umsetzung – in den Konsolenmenüs flutschte die Eingabe einwandfrei.

Intellivision Amico ausprobiert (8 Bilder)

Die LEDs am Controller der Amico leuchten bunt oder helfen bei der Orientierung. In manchen Spielen gibt das Gamepad auch Soundeffekte wieder.
(Bild: heise online/lmd)

Dennoch hinterließ der Amico-Controller einen zwiespältigen Eindruck: Er kann so ziemlich alles, aber nichts davon herausragend gut. Der Touchscreen ist nicht ganz so präzise wie bei modernen Handys, auch das Gyroskop zeigte sich etwas hakeliger, als man es mittlerweile gewohnt ist. Das machte sich etwa bei "Evel Knievel" bemerkbar, einem sehr unterhaltsamen Port eines Mobilspiels, für den Intellivision einen zusätzlichen Mehrspielermodus in Auftrag gegeben hat. Hier muss man mit dem Gyroskop Raketen ausrichten, was mit dem Amico-Controller nicht immer auf den Punkt genau klappte. Im Vergleich mit den Gamepads der großen Konsolenhersteller fühlen sich die Knöpfe und das Steuerkreuz des Amico-Gamepads außerdem sehr schwammig an.

Vielleicht wäre es also cleverer gewesen, Intellivision hätte sich auf ein einzelnes Gimmick festgelegt. Wie das geht, zeigt zum Beispiel die Handheld-Konsole Playdate, für die speziell auf die einzigartige Kurbel-Steuerung ausgelegte Spiele entwickelt werden. Die Amico möchte stattdessen alles können – und bezahlt für diese Flexibilität mit den genannten Problemzonen.

Die Leistung der Amico entspricht etwa der eines Einsteigerhandys. Sie hat einen Achtkern-SoC mit Taktfrequenz von 1,8 GHz und 2 GByte RAM, an den Monitor gibt sie 1080p aus. Grafisch sollte man nicht allzu viel erwarten, auch wenn Titel wie "Intellivision Skiing" mit hübschem Grafikstil positiv auffallen. Die meisten gezeigten Spiele sind grafisch simpel gehalten und laufen weitgehend stabil mit 60 FPS, ein wenig mehr Leistung für ambitioniertere Projekte wäre aber schön gewesen.

Intellivisions Amico ist ein mutiges Gerät: Es gehört einiges dazu, in Zeiten von Playstation 5, Nintendo Switch und Xbox Series X eine alternative Indie-Spielkonsole samt eigenem Spieleangebot auf die Beine stellen zu wollen. Mit ihrem unkonventionellen Controller und dem Fokus auf lokale Mehrspielertitel schafft es die Amico zumindest, sich klar von den Mitbewerbern abzugrenzen.

Die Amico bietet sich damit für den kurzen Spiele-Snack zwischendurch oder einen lustigen Abend in Gesellschaft an. Die Idee, Familien und Freunde gemeinsam vor den Bildschirm zu holen ist ebenso lobenswert wie der Boost für den Spielestandort Deutschland und die Möglichkeit, einfach mit dem Smartphone mitspielen zu können. Deutlich wurde beim Anspielen aber, dass die Amico ihren Interessenten einiges an Kompromissbereitschaft abverlangt. Gerade der überfrachtete Wollmilchsau-Controller wirkt noch unausgegoren und lässt eine klare Vision vermissen. Viele der gezeigten Spiele sind außerdem bestenfalls kurzfristig unterhaltsam oder würden auf anderen Systemen mindestens genauso gut funktionieren.

Das alles wäre einfacher zu verschmerzen, wenn die Amico günstiger wäre: Ippisch sagte heise online, die ersten Exemplare der Konsole würden trotz Preispunkt von 280 Euro noch verlustbehaftet verkauft. Doch auch wenn die Amico mit sechs vorinstallierten Spielen erscheint, kommt die Familienkonsole von Intellivision bei diesem Preis nicht um den Vergleich mit der kaum teureren Nintendo Switch herum. Sie ist der Amico in vielen Gesichtspunkten – etwa Spieleauswahl, Hardware und Funktionsumfang – schlicht überlegen.

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