Red Hat Enterprise Linux 6

Seite 2: Königsklasse

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RHEL 6 enthält Treiber zur Beschleunigung des Betriebs als Gastsystem unter KVM, VMware und Xen. Der RHEL-6-Kernel basiert auf der Linux-Version 2.6.32; wie üblich hat Red Hat Treiber und Funktionen integriert, die erst in spätere Kernel-Versionen eingezogen oder die gar nicht Bestandteil des offiziellen Kernels sind. Red Hat spricht daher von einem Hybrid aus Linux 2.6.32 und dessen Nachfolgern.

Beim Vergleich des Kernels von RHEL 6 mit dem Kernel 2.6.18 von RHEL 5 zeigen sich haufenweise Neuerungen. Nicht wenige davon sind in vielen Distributionen bereits ein alter Hut. So ist der von Red Hat hervorgehobene Completely Fair Scheduler (CFS) seit 2.6.23 Bestandteil des Linux-Kernels. Auch der "tickless" Kernel, bei dem der Timer-Interrupt nicht mehr regelmäßig hundert oder tausend Mal pro Sekunde feuert, wenn das System nichts zu tun hat, ist bereits gut ausgetestet. Dieser Trick reduziert nicht nur die Leistungsaufnahme, sondern senkt auch die Grundlast in RHEL-6-Systemen, die virtualisiert als Gast laufen, wodurch auf dem Host CPU-Zyklen für sinnvolle Arbeit frei werden.

Insgesamt verspricht der aktualisierte Kernel eine bessere Skalierbarkeit. Dadurch liefert RHEL 6 nicht nur mehr Performance auf den heute allgegenwärtigen Systemen mit mehreren Multi-Core-CPUs, sondern eignet sich auch für größere Systeme. Theoretisch unterstützt RHEL 6 64-Bit-x86-Rechner mit bis zu 4096 Prozessorkernen und 64 TByte Speicher, wobei bislang nur Systeme mit 128 Kernen und 2 TByte getestet wurden. Bei RHEL 5 lagen die Grenzen bei 64 Kernen und 1 TByte RAM. Auch die Limits bei der Virtualisierung mit KVM steigen: Gastsysteme können nun bis zu 64 Prozessorkerne und eine beliebige Menge Arbeitsspeicher zugeteilt werden.

Red Hat hebt die unter dem Schlagwort RAS zusammengefassten Funktionen hervor, die die Zuverlässigkeit (Reliability), Verfügbarkeit (Availability) und Wartbarkeit (Serviceability) steigern sollen. So unterstützt RHEL 6 das Hinzufügen von Prozessoren und Arbeitsspeicher im laufenden Betrieb auf Systemen, deren Hardware das unterstützt. Defekte Speicherbereiche können mit Hilfe von Hwpoison als fehlerhaft markiert und von weiterer Nutzung ausgeschlossen werden. Das neue RHEL analysiert die Machine Check Exceptions (MCE) der CPU genauer und beendet bei manchen Fehlern nur noch die betroffenen Prozesse, statt gleich das ganze System mit einer Kernel Panic anzuhalten. Auch PCI Express Advanced Error Reporting (AER) und ACPI Platform Error Interface (APEI) werden nun unterstützt.

Zur Virtualisierung setzt Red Hat nun voll auf KVM. Als Konfigurations- und Management-Werkzeug liegt der Virt-Manager bei.

Als Standard-Dateisystem hat Ext4 das ältere Ext3 abgelöst; Red Hat nennt für Ext4 allerdings die gleiche maximale Datenträgergröße von 16 TByte wie für Ext3. Für größere Datenspeicher mit bis zu 100 TByte Kapazität bietet Red Hat das aufpreispflichtige "Scalable File System Add-On" mit XFS an. Der Installer achtet beim Anlegen von Partitionen und Volumes auf korrektes Alignment, damit Festplatten mit 4-KByte-Sektoren bestmögliche Leistung erzielen. Die Discard-Unterstützung im Dateisystem informiert den Datenträger über Speicherbereiche, die durch Formatieren oder Löschen von Dateien freigeworden sind – das verbessert nicht nur die Lebensdauer und Performance von SSDs, sondern ist auch für Netzspeichersysteme mit Thin Provisioning wichtig. Neu ist auch die für Boot-Datenträger mit Kapazitäten über 2 TByte interessante UEFI-Unterstützung. Auf einem Desktop-PC, dessen Intel-Board auf uefi.org als "UEFI Generation 2 Evaluation Platform" eingestuft ist, bootete RHEL 6 allerdings nicht via UEFI.

Mit Hilfe von Control Groups (Cgroups) kann der Administrator nun Prozessorzeit, Speicherbedarf und Netzwerkdurchsatz von Prozessen oder Prozess-Gruppen limitieren und die Verteilung von Ressourcen regeln. So lässt sich beispielsweise sicherstellen, dass einer Anwendung oder einer virtuellen Maschine mindestens 90 Prozent der Netzwerkbandbreite zur Verfügung stehen, damit eine parallel laufende Test-VM den Produktionsbetrieb nicht stören kann.

Bessere Ressourcennutzung bei Multiprozessor-Systemen und höheren Netzwerkdurchsatz versprechen Kernel-Techniken wie Multiqueue Networking, LRO (Large Receive Offload) und GRO (Generic Receive Offload). Neu ist die Unterstützung des FCoE-Protokolls (Fiber Channel over Ethernet) in Software und die Möglichkeit, iSCSI-Partitionen als Root- oder Boot-Device einzubinden. Diese und andere Storage-Techniken lassen sich im grafischen, via VNC auch remote nutzbaren Installationsprogramm einfacher konfigurieren. Der Text-Installer bietet nur noch Basisfunktionen.

Das Web-Interface des Cluster-Management-Tools Conga wurde erheblich überarbeitet und bietet neue Funktionen; die Kommunikation im Cluster regelt nun die Corosync Cluster Engine. Samba liegt in der Version 3.5 bei, die IPv6 unterstützt, als Mitglied einer Windows-7-Domain arbeitet und eine Vertrauensstellung beim Zusammenspiel mit Windows 2008 R2 einnehmen kann. Der Datenaustausch mit einem Samba-Client kann verschlüsselt erfolgen und mit Hilfe von Clustered Samba (CTDB) lassen sich Skalierbarkeit und Ausfallsicherheit verbessern. Mysql liegt in Version 5.1.47 bei, Postgres in 8.4.4 und Tomcat in Version 6.0.24.