Tiefe Einblicke – Informationen zu Linux in den Vorträgen vom OLS

In zwei PDF-Dokumente mit Textfassungen der auf dem OLS (Ottawa Linux Symposium) 2008 präsentierten Vorträge finden an Linux Interessierte zahlreiche Informationen zu aktuellen oder zukünftigen Entwicklungen rund um den Linux-Kernel.

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Lesezeit: 19 Min.
Von
  • Thorsten Leemhuis
Inhaltsverzeichnis

Die Veranstalter und Vortragenden des vergangene Woche abgehaltenen Ottawa Linux Symposium (OLS) 2008 haben auch dieses Jahr wieder Textfassungen der dort gehaltenen Vorträge veröffentlicht. Diese enthalten nicht nur wie bei anderen Konferenzen üblich oberflächliche Präsentationsfolien im PowerPoint- oder OpenOffice-Impress-Stil; vielmehr finden sich in den zwei Sammel-PDFs (1, 2) oder den vortragsspezifischen PDF-Dokumenten 550 eng beschriebene Seiten, die eine Unmenge von teilweise mit Bildern, Screenshots und Diagrammen aufgelockerte Informationen bieten. Da viele Kernel-Entwickler an der Konferenz teilnehmen oder dort selbst Vorträge halten, beschäftigen sich viele der Präsentationen mit Hintergründen zu aktuellen oder zukünftigen Entwicklungen rund um den Linux-Kernel, aber auch mit Sicherheitsaspekten oder Userspace-Software.

John W. Linville gibt in seinem Vortrag einen aktuellen Überblick über den Stand der WLAN-Unterstützung des Linux-Kernels.

Viele Linux-Anwender mit Notebooks dürfte etwa der OLS-Vortrag "Tux on the Air: The State of Linux Wireless Networking" interessieren. Darin gibt der Red-Hat-Mitarbeiter und WLAN-Subsystem-Verwalter John W. Linville einen guten Überblick über den Stand der WLAN-Unterstützung des Linux-Kernels und liefert einige Informationshäppchen zu zukünftigen Entwicklungen.

So beschreibt Linville etwa einige Hintergründe und Probleme bei der Entwicklung des WLAN-Stacks MAC80211. Viele der anfänglichen Schwierigkeiten des seit Kernel-Version 2.6.22 im Hauptentwicklungszweig von Linux enthaltenen WLAN-Stack seien mittlerweile aber gelöst; auch eine Menge der auf MAC80211 aufsetzenden WLAN-Treiber seien mittlerweile im Kernel enthalten. Viele Anwender können daher ihre WLAN-Hardware mit aktuellen Kerneln relativ einfach in Betrieb nehmen.

Weitere WLAN-Treiber sind noch in Arbeit. Darunter etwa eine MAC80211-Variante des für ältere WLAN-Chips von Texas Instruments geeigneten Treibers tiacx. Es gibt aber rechtliche Unklarheiten um die Entstehung des per Reverse Engineering entwickelten Treibers, die derzeit die Aufnahme in den Linux-Kernel verhindern. Wenn Texas Instruments nicht zu deren Klärung beitragen könne, dann müsse wohl das Software Freedom Law Center (SFLC) ähnlich aushelfen wie im vergangenen Jahr beim Treiber ath5k für Atheros-Hardware.

Noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindet sich der noch nicht funktionsbereite Treiber agnx für WLAN-Chips von Airgo. Er war mit Hilfe von per Reverse Engineering entstandener Dokumentation programmiert worden. Hier mangelt es mittlerweile aber an einem Entwickler, der das Reverse Engineering weiter vorantreibt. Besser steht es um die für WLAN-Chips von Atmel und Marvell geeigneten Treiber at76_usb und mrv8kng. In der Textfassung des schon vor einigen Wochen fertiggestellten Vortrags gibt sich Linville noch optimistisch, dass die zwei für 2.6.27 aufgenommen werden könnten. Derzeit befinden sich die Treiber aber weder im Hauptentwicklungszweig noch in linux-next; zum jetzigen Zeitpunkt sieht es daher so aus, dass sich die Hoffnung des WLAN-Subsystem-Verwalters nicht erfüllt und der Treiber erst in einer späteren Linux-Version aufgenommen wird.

Der Vortrag erwähnt noch eine ganze Reihe von vorbereiteten oder für die nahe Zukunft geplanten Verbesserungen im WLAN-Subsystem. Ausführlich geht er dabei auf das teilweise bereits vom Kernel unterstützte Konfigurationsinterface cfg80211 ein, das langfristig die Wireless Extensions genannte Zwischenschicht zur Konfiguration von WLAN-Hardware ablösen soll. Ferner sollen der WLAN-Stack und einige Treiber bald alles beherrschen, um zusammen mit der Software HostAP als WLAN-Access-Point zu arbeiten. Der nötige Code sei teilweise bereits im Kernel, aber noch deaktiviert.

Linville zählt aber noch einige weitere Bereiche auf, in denen Verbesserungen nötig sind. Beim Power-Management sieht er etwa noch deutlichen Verbesserungsbedarf. So würde die Verbindung zum Access Point nach einem Aufwachen aus dem Bereitschaftsmodus des Systems (Standby-Modi wie etwa ACPI S3/Suspend to RAM) unter Linux wieder komplett neu aufgebaut; das würde zwar normalerweise recht gut funktionieren, sei aber nicht immer verlässlich und würde zu Verzögerungen beim Aufwachen des Systems führen. Auch einige andere Stromsparmechanismen moderner WLAN-Hardware würden Treiber und WLAN-Stack bislang nicht unterstützen.

Am Ende des Vortrags erwähnt Linville Probleme rund um die Lizenzierung der WLAN-Firmware und geht auf die Zusammenarbeit mit den Hardware-Herstellern ein. Dabei kritisiert er Broadcom, da das Unternehmen sich nicht an der WLAN-Treiber-Entwicklung beteiligt und anders als bei LAN-Hardware auch keine Dokumentation rausrückt. Positiv hebt Linville hingegen Ralink und Intel hervor. Im Fazit führt er an, dass sich die Situation rund um die WLAN-Unterstützung in letzter Zeit deutlich verbessert habe; früher war die WLAN-Unterstützung von Linux ein "Ghetto", mittlerweile aber nicht mehr das größte Problem von Linux.