Nicht nur für Geeks: Erster Trend-Store rund um Linux

Das Newthinking-Network will mit dem Berliner Trend-Store freie Software aus der Geek-Ecke herausholen und dem Otto-Normal-Anwender Ängste vor Open Source nehmen.

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Inmitten der Galerie- und Kneipenlandschaft im Berliner Stadtteil Mitte soll sich vom heutigen Dienstag an alles um freie Software "for Dummies" drehen. Als neue Anlaufstelle für Microsoft-Müde und Freunde freier Software bietet sich der Trend-Store rund um Linux an, den das Newthinking Network in einer Art Beta-Version eröffnet hat. "Wir wollen Linux aus der Geek-Ecke herausholen", erklärte der Geschäftsführer des Ladens, Andreas Gebhardt, bei der Vorstellung des seinen Angaben nach bislang "weltweit einmaligen" Konzepts. Vergleiche mit den florierenden Apples-Stores wollte er vermeiden, da man herstellerunabhängig sei. Vorinstallierte Rechner bietet der Shop allerdings an, und zwar zunächst nur mit SuSE Linux 9.1.

Der große Trend im Open-Source-Bereich ist für Gebhardt die Eroberung des Desktops durch Linux. Den will Newthinking nicht verpassen und die Anwender bei der Umstellung unterstützen. "Wir machen all das, was man momentan überall in der Presse über freie Software hört, haptisch vor Ort erfahrbar ", gab Alexander Scheibner von der IT-Abteilung des Open-Source-Netzwerks als Parole aus. Die Interessenten könnten verschiedene Linux-Installationen ausprobieren und ihre Berührungsängste dabei abschütteln.

Bisher gibt es noch viel Platz in dem Store, der einen Großteil des rund 100 Quadratmeter großen Büros von Newthinking einnimmt. Zwei Rechner laden mit bunten Linux-Oberflächen zum Surfen und Beschnuppern von Programmen wie OpenOffice ein. Die Regale sollen noch gefüllt werden, mit Literatur, Zeitungen, Magazinen und vor allem T-Shirts und Store-eigenen "Kleidungslinien", wie Gebhardt verspricht. Bei den in der Linux-Szene beliebten Stofftieren und bei anderen Gimmicks will er einiges ausprobieren: es müsse ja nicht immer der Pinguin sein, auch "ein Gnu" käme beispielsweise mal in Frage. Ihm kommt es vor allem darauf an, die Welt der freien Software in einem "ästhetischen, nicht-technischen Umfeld" zu präsentieren. Abgerundet werden soll der Mix mit zahlreichen Informationsveranstaltungen rund um Linux und die Zukunft der Wissensgesellschaft, um auch neue Wege im Umgang mit immateriellen Gütern in die Gesellschaft zu bringen.

Klaus Knopper sieht den großen Vorteil eines solchen Ladens vor allem in der Möglichkeit, sich dort ein auf die eigenen Bedürfnisse "gestyltes" Betriebssystem zusammenstellen zu lassen. "Immer weniger Leute sind zufrieden mit dem, was sie im Computerbereich von der Stange kaufen können", meint der Erfinder des Knoppix-Systems, das das Arbeiten unter Linux von CD aus erlaubt und im Trend-Store kostenlos zu haben ist. Freie Software biete hier die größten Adaptionsmöglichkeiten und gehe zudem ins Eigentum der Anwender über. Sie könne im Gegensatz zu proprietären Lösungen angepasst und weitergegeben werden.

Annette Mühlberg, Leiterin des Referats Electronic Government, Neue Medien, Verwaltungsmodernisierung beim ver.di-Bundesvorstand, begrüßte die Store-Initiative als Ort, um noch bestehende Hindernisse bei der Umstellung auf Linux im öffentlichen Sektor zu beseitigen. Ihrer Meinung nach ist der Migrationstrend in den Amtstuben gerade für die Beschäftigten "existenziell", da andererseits die Folgekosten für proprietäre Software "exorbitant steigen" und damit just die finanziellen Mittel fürs Personal knapp würden.

Einen Untermieter, der mit Newthinking an einem Strang zieht, hat das Ladenbüro schon: Die gemeinnützige US-Organisation Creative Commons bezieht dort ihre erste Auslandsniederlassung mit drei Mitarbeitern. Die vom Stanforder Rechtsprofessor Lawrence Lessig gegründete Institution hat es sich zum Ziel gesetzt, die Allmende der weitgehend frei verfügbaren digitalen Güter zu füllen. Sie bietet zu diesem Zweck eine Reihe von Lizenzverträgen an, die eine Weiterverbreitung von Texten, Songs oder Videos vereinfachen. Dabei kann sich der Urheber aber Rechte wie die Untersagung der Nutzung seiner Werke zu kommerziellen Zwecken vorbehalten. Über den Ableger in Berlin will Creative Commons nun die Lizenzen auf die europäischen Rechtssysteme anpassen. Die deutsche Version wird auf der Wizards of OS 3 in anderthalb Wochen in Berlin vorgestellt. (Stefan Krempl) / (jk)