EU-Rechnungshof: Corona-Milliarden haben Digitalisierung kaum messbar gefördert
Alle EU-Staaten haben plangemäß Milliarden an Corona-Aufbaugeldern für die Digitalisierung bereitgestellt, weiß der EU-Rechnungshof. Doch viel sei nur verpufft.

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Der ursprünglich insgesamt 724 Milliarden Euro schwere Corona-Aufbaufonds der EU ("Next Generation EU") sollte als Motor für den digitalen Wandel in der Gemeinschaft dienen. Diese Chance haben die Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission laut einem am Donnerstag veröffentlichten Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs aber größtenteils vertan. Alle EU-Länder haben demnach zwar planmäßig mindestens 20 Prozent der Mittel für die Digitalisierung bereitgestellt. Fast 150 Milliarden Euro seien so in diesen Bereich geflossen. Die digitale Transformation sei durch diese Mittel aber "nicht immer wirksam vorangebracht" worden, monieren die Prüfer. Denn die Staaten seien nicht verpflichtet gewesen, "vor allem dort zu investieren, wo der größte Bedarf besteht".
Zu wenig gezielte Investitionen
Die Untersuchung des großen Fördertopfs zur Wiederbelebung der Wirtschaft nach der Corona-Pandemie erstreckte sich laut dem Bericht hauptsächlich auf den Zeitraum von Februar 2021 bis März 2024. In Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg und Rumänien führten die Kassenwächter Schwerpunktanalysen durch und fühlten 27 dortigen Digitalisierungsmaßnahmen genauer auf den Zahn. Insgesamt hat sich ihnen zufolge als Manko herausgestellt, dass einige Mitgliedstaaten Bereichen wie dem Schul- oder Gesundheitssektor, in denen sie unterdurchschnittlich gut aufgestellt waren, einen vergleichsweise geringen Anteil ihrer Mittel zugewiesen hätten. Das habe das Potenzial des im Brüssel-Jargon als Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) bekannten Programms geschmälert, "wirksam zum digitalen Wandel beizutragen".
Die Kommission habe den Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) 2014 eingeführt, bringt der Rechnungshof ein Beispiel. Dabei handle es sich um "ein umfassendes Instrument, das dazu dient, den digitalen Fortschritt der Mitgliedstaaten zu überwachen" und schwächelnde Sektoren zu ermitteln. Jedoch seien die Mitgliedstaaten mit der ARF-Verordnung nicht angehalten worden, prioritär in solche Bereiche mit Lücken zu investieren. Italien habe etwa Projekte zur Digitalisierung von mittelständischen Unternehmen mit 480 Millionen Euro gefördert. Die Maßnahme habe aber bereits bei Auswahl der bedachten Firmen "als zufriedenstellend erfüllt gegolten" – unabhängig davon, ob das Vorhaben letztlich wie geplant durchgeführt wurde.
Vage Messgrößen, wenig Kooperation
Die Leistungsindikatoren des Aufbaufonds seien gar nicht geeignet, um die mit den öffentlichen Geldern erzielten Ergebnisse im Bereich des digitalen Wandels vernünftig zu bewerten, monieren die Prüfer. Die verwendeten Messgrößen etwa für digitale Kompetenzen, Breitbandausbau und E-Government-Dienste seien zu allgemein, legten den Schwerpunkt vor allem auf nicht näher definierte Ergebnisse und seien nicht gut auf die aktuelle Digitalstrategie der EU abgestimmt gewesen. Ferner haben die EU-Länder dem Bericht zufolge bei rund 60 Prozent der geprüften Investitionsmaßnahmen nicht die richtigen gemeinsamen Indikatoren verwendet beziehungsweise keine einheitlichen oder aussagekräftigen Daten gemeldet. Daher könne der Beitrag der mit ARF-Mitteln finanzierten Reformen zum digitalen Wandel nicht genau bestimmt werden.
Die Kassenwächter kritisieren auch, dass es bei der Umsetzung zu deutlichen Verzögerungen gekommen ist. Bei den fünf näher betrachteten Staaten sei fast die Hälfte der Etappenziele und Zielwerte von Aufschüben oder Ersatz betroffen gewesen. Die Möglichkeit, langfristige länderübergreifende Projekte durchzuführen, sei zudem kaum genutzt worden, obwohl dadurch digitale Technologien und Kompetenzen in der EU entscheidend hätten vorangebracht werden können.
Deutschland wollte laut der Analyse 48 Prozent der ARF-Gelder in Digitalisierungsvorhaben stecken. Das ist der größte Anteil unter allen Mitgliedsstaaten und weit über dem Durchschnitt von 26 Prozent. Was genau damit passierte, war nicht Teil der Untersuchung. Die Bundesregierung beschloss im April 2021, 15,5 Milliarden Euro aus dem Konjunkturpaket für Digitalisierung und Klimaschutz bereitzustellen. Die Mittel sollten etwa in die Industrie 4.0, die Umsetzung des Digitalpakts Schule und der Datenstrategie sowie in die digitale Schiene fließen, bei der es aber nach wie vor hakt. Der Bundesrechnungshof hatte von vornherein "erhebliche Zweifel an Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit" des Geldsegens aus Brüssel. Strukturelle Defizite würden damit wohl kaum beseitigt.
(nen)