AT&T: Zwei-Klassen-Netz schon in Internet-Standards angelegt

Im Streit um die Netzneutralität hat der US-Telekommunikationskonzern erklärt, die bevorzugte Behandlung von Datenpaketen gegen Entgelt sei in geltenden Internet-Standards längst vorgesehen.

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Im Streit um die Netzneutralität hat der US-Telekommunikationskonzern AT&T von der US-Bürgerrechtsorganisation Free Press vorgebrachte Argumente für striktere Neutralitätsaufagen zurückgewiesen. Der Netzbetreiber erklärte in einem offenen Brief (PDF-Datei) an die US-Regulierungsbehörde FCC, dass entgegen der Darstellung von Free Press die Möglichkeiten für eine bevorzugte Behandlung von Datenpaketen gegen Bezahlung ("paid prioritization") bereits in geltenden Internet-Standards angelegt sei.

Dabei verweist AT&T auf die Spezifikationen RFC 2474 und 2475 der Internet Engineering Task Force (IETF). Damit sei schon vor knapp drei Jahrzehnten ein Datenfeld ins Internetprotokoll eingeführt worden, mit dem Provider bestimmten Anwendungen Vorrang einräumen könnten. 1998 sei RFC 2474 um das Differenzierungsmerkmal DSCP (oder "DiffServ") erweitert worden. Damit werde entgegen der Meinung von Free Press auch Netzbetreibern und Provider die Möglichkeit der Verkehrssteuerung gegeben. Ausdrücklich eingeschlossen sei auch die Erlaubnis, "unterschiedliche Preismodelle für Internetservices" einzuführen. Entsprechende Angebote seien auf dem Markt auch verfügbar.

Free Press wirft dem Netzbetreiber in einer Reaktion "Irreführung" vor. Der Konzern vermische die Bevorzugung zahlungswilliger Anbieter mit "akzeptierten Praktiken des Netzwerkmanagements". Free-Press-Forschungsleiter Derek Turner verweist zudem darauf, dass AT&T bei den Verhandlungen zur Übernahme von BellSouth Ende 2006 ein breites Zugeständnis zur Einhaltung der Netzneutralität gemacht habe. Wenn der TK-Anbieter nun auf "Hunderte" professionelle Nutzer von Zugangsdiensten verweise, die sich diesem Ziel nicht mehr verschrieben hätten, stellt sich für Turner die Frage, seit wann AT&T diese Kunden bediene und ob damit nicht ein Verstoß gegen die eigenen Zusicherungen vorliege.

Unterdessen heizt ein Regulierungsexperte von AT&T die ohnehin scharfe Debatte weiter an. In einem Blogeintrag kritisiert er den dogmatischen Ansatz der "Kirche der extremen Netzneutralität", die bevorzugte Behandlung von Datenpaketen als "Todsünde" zu charakterisieren. Dabei sei "paid prioritization" oder "Quality of Service", wie es AT&T bevorzugt nennen will, längst Teil des Netzalltags. (vbr)