Softwarepatente: Verhärtete Fronten

Eine hitzige Debatte auf Einladung des Justizministeriums zur Zukunft der Direktive zum Schutz "computerimplementierter Erfindungen" ließ just die entscheidenden Detailfragen außen vor.

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Während sich die Fraktionen im deutschen Bundestag in ihrer grundsätzlichen Ablehnung der Softwarepatente am Donnerstag weitgehend einig waren, wurde in München eine hitzige Podiumsdiskussion zur Zukunft der heftig umstrittenen EU-Direktive zum Schutz "computerimplementierter Erfindungen" geführt. Geladen hatten das auch in der Bundestagsdebatte kritisierte Bundesjustizministerium (BMJ) und das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA).

Die Diskussion auf der Münchner Veranstaltung ließ allerdings just die entscheidenden Detailfragen bewusst außen vor. In der groben Richtung sind sich demnach alle einig, betonten Vertreter des BMJ und des DPMA immer wieder. "Wir wollen die Anforderungen an die Patentierung deutlich erhöhen", erklärte etwa Justizstaatssekretär Hansjörg Geiger. Er habe sich daher persönlich bei den Verhandlungen um den Richtlinienentwurf des EU-Rates im Mai dafür eingesetzt, dass der technische Beitrag einer "computerimplementierten Erfindung" neu und erfinderisch sein müsse. Dass der Vorschlag des Ministerrats in diesem Punkt noch die wenigsten Probleme bereitet, räumten auch Softwarepatentgegner ein. Sie fanden den Versuch des DPMA-Präsidenten und Moderators Jürgen Schade, die eigentlichen Knackpunkte der Richtlinie in der Ratsversion auf Grund der sie umlagernden "juristischen Rabulistik" zu übergehen, allerdings empörend.

Insgesamt zeigte sich deutlich, dass die Nerven angesichts des Pingpong-Spiels um die Richtlinie auf beiden Seiten blank liegen. "Manchmal bin ich richtig genervt, wie diese Debatte nun plötzlich zurückschwenkt", machte etwa Gert Kolle, Hauptdirektor Internationale Angelegenheiten und Patentrecht beim Europäischen Patentamt, seinem Ärger gleich im Eingangsstatement Luft. Er trauerte sichtbar den "guten alten Zeiten" hinterher, in denen es rund um Softwarepatente eine "reine Expertendiskussion" gegeben habe und die Beschwerdekammern seines Amtes die Linie bestimmt hätten, während "heute auf politischer Ebene" das Thema zerredet werde.

Gleichzeitig überraschte Kolle mit Spitzfindigkeiten. So betonte er: "Wir erteilen nicht Patente für Computerprogramme als solche, sondern auf computerimplementierte Erfindungen, die nach den Vorgaben des Europäischen Patentübereinkommens den Vorgaben der Rechtsprechung ganz eng und strikt folgen." Einen Atemzug später verstieg er sich zu der Aussage, dass ein "Computerprogramm doch per se etwas Technisches ist". Damit verneinte er praktisch, dass es gemäß der Haltung des Europäischen Patentamts noch Grenzen der Patentierbarkeit bei Software gibt. Sämtliche Versuche, den Begriff der Technik im Rahmen des Brüsseler Gesetzgebungsverfahrens näher zu definieren, verwies er gleichzeitig in den Bereich des Unmöglichen: Urteile des Bundesgerichtshofs, die dabei mit dem "Einsatz beherrschbarer Naturkräfte" oder "mit einem kausal überschaubarem Ergebnis" hantiert hätten und dessen Tenor sich auch in der Richtlinienversion des Europaparlaments findet, seien international "nicht zu verkaufen und höhere Philosophie".

Hartmut Pilch aus dem Vorstand des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) konnte sich derweil kaum beherrschen: "Ich könnte immer explodieren, schon durch Ihre Kampfbegriffe wie computerimplementierte Erfindung und geistiges Eigentum", warf er den Patentamtsvertretern vor. Sachlich war er der einzige, der konkret einige "K.O.-Punkte" der Ratsrichtlinie aus Sicht der mittelständischen Wirtschaft und der Open-Source-Szene ansprechen konnte, bevor ihm der Moderator das Wort entzog: So würden über einige der Klauseln Programme als solche eben doch gerade patentfähig, falls das Machwerk in Kraft trete. Zudem beklagte er, dass man in diesem Fall auch erst eine Kartellklage anstrengen müsste, um Interoperabilität in der Computerwelt zu sichern. Pilchs Resümee: "Was der Rat an Verschlechterungen hinzugefügt hat, ist ein Rezept, um die Richtlinie in die Sackgasse zu führen." Auch in einem Vermittlungsverfahren zwischen Rat, Kommission und Parlament, das notwendig würde, falls die EU-Abgeordneten in der für Anfang 2005 prognostizierten 2. Lesung Änderungsvorschläge an der Ratslinie vorschlagen würden, sei da "nichts mehr zu machen."

Wilhelm Hoegner, EDV-Chef der in ihrem LiMux-Projekt von Softwarepatent-Ängsten zeitweise blockierten Stadt München, sieht die bisherigen Vorschläge aus Brüssel ebenfalls "noch nicht so präzise rechtlich definiert, als dass es nicht häufig Missverständnisse gibt". Er bedauerte als Gast im Publikum, dass auf dem Podium der entscheidende Punkt ausgeklammert worden sei, nämlich "dass wir rechtliche Klarheit über die Grundlagen der Patentierbarkeit von Software brauchen". Andererseits bliebe den Auftraggebern der öffentlichen Hand nichts anderes übrig, als Haftungsklauseln gegenüber potenziellen Softwarepatentstreitigkeiten einzubauen. Die Konsequenz daraus wiederum sei, dass "nur noch große Konzerne in der Lage sein werden, den öffentlichen Markt zu bedienen. Dann haben wir wirklich eine Wettbewerbsverzerrung."

Auch Florian Müller, Manager der Initiative NoSoftwarepatents.com, gab die Parole aus, dass die juristischen Taschenspielertricks bei der Erteilung von Softwarepatenten im Europäischen Patentamt nicht länger hinzunehmen seien. "Nur eine funktionale Einheit von Gerät und Softwaresteuerung darf patentierbar sein", forderte er. Entscheidend sei dabei die "naturwissenschaftliche Außenwirkung." Mit seiner Haltung befinde er sich "in Übereinstimmung mit allen Fraktionen des Bundestags", vergaß der Software-Entwickler nicht unter Anspielung auf die Anträge zu erwähnen, die neben der FDP inzwischen auch die Union und die Fraktionen der SPD und der Grünen im Parlament mit ähnlichem Tenor eingebracht haben oder vorbereiten. Der Ratsvorschlag sei demnach kräftig zu überarbeiten.

Uwe Schrieck, Leiter IP-Strategie bei Siemens und Patentanwalt, verteidigte dagegen die Arbeit des Ministerrats: Sein Haus leiste den "großen Teil der Wertschöpfung durch 'Embedded'-Software. Da müssen wir unsere Forschung und Entwicklung absichern und uns gegen Wettbewerber absetzen", die sonst die Ergebnisse direkt übernehmen könnten. Inakzeptabel an der Parlamentsversion sei in dieser Hinsicht, dass darin eine "industrielle" Anwendbarkeit einer Erfindung festgeschrieben werde. Dies sei gerade bei Verfahren im Mobilfunkbereich nicht zu leisten.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)