US-Senatsausschuss einstimmig für neue Internet-Sperren [Update]

Der in den USA umstrittene Gesetzesvorschlag soll Produktfälschungen und Urheberrechtsverletzungen im Netz bekämpfen helfen und das Justizministerium ermächtigen, die Sperrung von Domains anzuordnen.

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Der Justizausschuss des US-Senats hat am Donnerstag einstimmig den Entwurf für ein umstrittenes Gesetz zum Schutz von Urheberrechten im Netz gebilligt. Mit dem Combating Online Infringement and Counterfeits Act (COICA) sollen Websites mit rechtswidrigem Charakter auf Antrag des Justizministeriums gesperrt werden können. Darüber hinaus sollen mit den Domains in Verbindung stehende Geschäfte – etwa Werbung – und Finanztransaktionen unterbunden werden können. Betroffen wären alle Domains, bei denen einschlägige Rechtsverletzungen "zentral für die Aktivitäten" der über die Domain erreichbaren Seiten sind und die keinem anderen Zweck dienen. Der Gesetzentwurf wurde von Senatoren beider Parteien eingebracht.

Auf Antrag des Staatsanwalts sollen diese Domains durch den jeweiligen Provider als Registrar oder auch die Registry eingezogen werden. Sind beide nicht in den USA greifbar, sollen die US-amerikanischen Provider die betroffenen Domains über einen Eingriff in das Domain Name System (DNS) sperren. US-Finanzdienstleister sollen dem Entwurf zufolge keine Überweisungen von US-Einwohnern an die mit der behaupteten Rechtsverletzung in Zusammenhang stehenden Personen durchführen. Schließlich soll US-Werbedienstleistern verboten werden, auf diesen Webseiten Werbung zu schalten.

Die Phalanx der Kritiker des Gesetzes ist breit. Konservative warnen vor Zensur durch die Bundesregierung. Auch Webseiten, die selbst keine Rechtsverletzungen begehen, aber darüber diskutieren oder informieren, wären potenziell betroffen. Die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) spricht ebenfalls von Zensur und weist darauf hin, dass unter COICA Webseiten wie YouTube nie hätten entstehen können. Diese seien heute aber eine bedeutende Einnahmequelle für die Rechteinhaber.

Technikexperten warnen vor einem Zerfall des einheitlichen DNS. Bisher würden nur Länder wie China und der Iran in das DNS eingreifen. Internetprovider sehen deutlich höhere Kosten, weil Kunden auf nicht zensierte Domain Name Server auf anderen Kontinenten zugreifen würden. Dadurch würden die Content-Delivery-Netzwerke ihre Inhalte nicht mehr über die dem Nutzer am nächsten liegenden Server ausliefern können. Folglich stiege der vergleichsweise kostspielige interkontinentale Datenverkehr stark an. Einige Rechtsexperten halten COICA für verfassungswidrig, weil es in die Meinungsfreiheit eingreift.

Es gibt aber auch lautstarke Befürworter. Neben Film- und Musikindustrie (MPAA und RIAA) sind das etwa große Sportveranstalter, Hersteller von Unterhaltungselektronik, die Wirtschaftskammer und Gewerkschaften. Einige Kritiker befürchten, dass die Befürworter des Gesetzes nun versuchen, die neuen Vorschriften in einem thematisch unabhängigen Budgetgesetz unterzubringen. Damit würde der zwischenzeitlich auf Eis gelegte COICA doch noch dieses Jahr beschlossen, bevor die jüngst neu gewählten Abgeordneten antreten und die Kongress-Mehrheit von den Demokraten zu den Republikanern wandert.

[Update: Inzwischen sieht es danach aus, dass der Senat das Vorhaben nicht noch in diesem Jahr verabschieden kann, bevor die nach den Halbzeitwahlen im November neu besetzte Kammer im Januar zum ersten Mal zusammentritt. Nach dem positiven Votum des Justizausschusses hat der demokratische Senator Ron Wyden (US-Bundesstaat Oregon) angekündigt, die Abstimmung im Plenum des Senats zu blockieren. "Amerikanische Innovationen, amerikanische Jobs und ein sicheres Internet könnten zu den Kollateralschäden dieses Gesetzes gehören", sagte der Senator. Sollte Wyden die Abstimmung verhindern, müsste das Vorhaben im nächsten Senat erneut eingebracht werden.] (vbr)