Oberverwaltungsgericht Berlin stärkt Informationsfreiheit

Das Berufungsgericht hat eine Entscheidung der Vorinstanz, die ein "Geheimnis des Regierungshandelns" rechtfertigt hatte, größtenteils aufgehoben. Der Kläger hat damit Anspruch auf Einsicht in Akten zur Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben.

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Ein Ministerium kann sich bei der Abweisung eines Antrags auf Einsicht in Akten zur Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben nicht pauschal auf Pflichten zur Geheimhaltung der Regierungstätigkeit beziehen. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in einem jetzt veröffentlichten Urteil vom Oktober (Az.: OVG 12 B 5.08). Das Berufungsgericht hat darin eine vielfach kritisierte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin größtenteils aufgehoben, das eine Klage auf Herausgabe von Akten des Bundesjustizministeriums (BMJ) unter Hinweis auf geheimhaltungswürdiges Regierungshandeln abgelehnt hatte. Bei den meisten Aktivitäten von Ministerien handle es sich um normale Behördentätigkeiten, betonte der zuständige 12. Senat, die dem vom Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gewährten Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nicht von vornherein entzogen sein dürften.

Geklagt hatte in dem Fall ein früherer Rechtsanwalt, nachdem ihm das BMJ Einsicht in Unterlagen über die Vorbereitung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verwehrte. Das Ministerium hatte die Ablehnung unter anderem damit begründet, dass sich der Antrag auch auf nicht-öffentliche Vorgänge des Bundestages und des Bundesrates sowie verschiedene Dokumente einer Expertenkommission beziehe. Den Sachverständigen sei Vertraulichkeit zugesichert worden. Darüber hinaus sei der Schutz der Privatsphäre einiger Beteiligter dem Informationsinteresse des Klägers überzuordnen. Das Verwaltungsgericht hatte die Klage als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Willensbildung der Regierung und damit auch vorbereitende Unterlagen zum geschützten Bereich der "exekutiven Eigenverantwortung" gehörten.

Das Oberverwaltungsgericht sieht die Sache anders. Das Bundesjustizministerium handele bei der Vorbereitung von Gesetzentwürfen als Behörde, stellte die Berufungsinstanz fest. Das IFG stelle eine Auskunftspflicht für alle Verwaltungsstellen des Bundes auf und damit für "die gesamte Exekutive", ohne dass der Gesetzgeber bestimmte Bereiche oder spezielle Tätigkeiten der Regierung ausgenommen habe. Die Berufungsinstanz betont weiter, dass der Gesetzgeber mit dem IFG unter anderem das Ziel verfolgt, die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger und die Verwaltungskontrolle einschließlich einer effektiven Korruptionsbekämpfung zu verbessern. Wäre die Vorbereitung und Begleitung von Gesetzgebungsvorhaben durch die Bundesministerien dem Anwendungsbereich des IFG von vornherein entzogen, könnte die vom Parlament angestrebte Beteiligungs- und Kontrollfunktion nicht verwirklicht werden.

Das Justizministerium könne dem Kläger den begehrten Zugang zu den Kommissionsunterlagen auch nicht mit der Begründung verweigern, dass es mit den Experten Vertraulichkeit vereinbart habe. Die bemühte Ausschlussregelung setze voraus, dass das Interesse an einer vertraulichen Behandlung auch noch zum Zeitpunkt des Antrags auf Einsicht bestehe. Dies sei hier nicht der Fall. Nicht gelten ließ das Oberverwaltungsgericht auch den Einwand des Ministeriums, die Prüfung der 250 Seiten umfassenden Kommissionspapiere auf schützenswerte private Informationen sei zu aufwändig. Eine solche Durchsicht dürfte "ohne weiteres zu bewältigen sein", hält der Senat fest. Das Bundesjustizministerium will es mit der klaren Ansage aber nicht bewenden lassen. Es hat im Januar Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt. (vbr)