Ex-Microsoft-Manager: Probleme mit Softwarepatenten sind übertrieben

Nathan Myhrvold, Ex-Technikchef von Microsoft, hält die gegenwärtigen Ängste vor Streitigkeiten um Patentrechte sowie Berichte über "Patent-Trolle" für Mythen.

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Nathan Myhrvold, Ex-Technikchef von Microsoft, hält die gegenwärtigen Ängste vor Streitigkeiten um Patentrechte und eine davon ausgehende Innovationsblockade für völlig übertrieben. Bevor eine grundlegende Reform des US-Patentsystems erfolgen könne, müsse man zu den Fakten zurückkehren, erklärte der Manager am gestrigen Dienstag laut CNet. Myhrvold sprach auf der Jahreskonferenz der Progress & Freedom Foundation (PFF), einer neoliberalen Denkfabrik der Republikaner, in Aspen im US-Bundesstaat Colorado. Die Existenz so genannter "Patent-Trolle", die ihr Geschäftsmodell allein auf den Erwerb und die Durchsetzung von Patentrechten ausrichten, tat Myhrvold als Mythos ab: "Dies ist ein gutes Beispiel für die vielen Anekdoten, die sich die Leute erzählen." Es gebe keine "harten Daten", die derlei Berichte stützen würden. Gleichzeitig ging er aber auf Kritik an den von ihm verleugneten "Patent-Trollen" ein und betonte, dass er "nichts Falsches" daran erkennen könne, "zu erfinden ohne Produkte zu machen."

Die anstehende Reform des Patentwesens in den USA sei zwar ein "gigantisches Problem", gab Myhrvold zu. Die US-Gesetzgeber sollten aber zunächst einen Blick auf das amtliche Datenmaterial werfen. Seinen Kenntnissen nach würden Patentstreitigkeiten nur drei Prozent der US-Bundesgerichtsverfahren ausmachen. Zudem sei die Zahl der Klagen pro erteiltem Patent ständig zurückgegangen. "Fast alles, was Sie über die Statistik zu Patentstreitigkeiten gehört haben, ist falsch", behauptete der Softwaretechniker. Patente seien der am wenigsten umstrittene Teil des Rechts rund um geistiges Eigentum.

Bei einer Anhörung zur Vorbereitung der Novelle des US-amerikanischen Patentgesetzes Ende April hatte sich Senator Patrick Leahy dagegen Sorgen um das gewaltige Wachstum bei den Patentanmeldungen und -erteilungen in den USA gemacht. Der Demokrat warnte vor "Patent-Trollen", die das gegenwärtige System für Rechtsstreitigkeiten missbrauchen und auf hohe gezahlte Vergleichssummen setzen würden, ohne selbst etwas erfunden oder produziert zu haben. Gleichzeitig hatte Intels Chefpatentjustiziar David Simon, der die Business Software Alliance (BSA) vertrat, vor der zunehmenden Zahl millionenschwerer Patentverletzungsverfahren gegen Hard- und Softwarefirmen gewarnt. Anfang Juni hatte der Republikaner Lamar Smith dann einen Gesetzesentwurf zur US-Patentreform eingebracht, der nach Willen der Regierungspartei eine Woche später noch vor der Sommerpause hätte verabschiedet werden sollen. Aufmerksame Medienbeobachter verhinderten dies allerdings mit der Forderung nach einer breiteren Diskussion.

Die Novelle ist heftig umstritten, weil sie nur kosmetische Korrekturen am US-Patentwesen wie die Einführung einer außergerichtlichen Beschwerdemöglichkeit vorsieht und einstweilige Verfügungen gegen Patentverletzer abschaffen will. Kritikern zufolge ist der Gesetzesentwurf auf Konzerne wie Microsoft zugeschnitten, da diese munter weiter Programmcode und elektronische Geschäftsmethoden patentieren könnten, aber weniger Angriffsfläche für Patentstreitigkeiten bieten würden.

Myhrvold selbst scheint mit seiner Sicht vor allem sein eigenes neues Geschäft rechtfertigen zu wollen: Nach dem Ausstieg bei Microsoft ist der Manager nun als Chef bei dem Startup Intellectual Ventures tätig, das Patente in zahlreichen Hightech-Gebieten akquiriert und Einnahmen über Lizenzen zu erzielen sucht. Vergleichbare Geschäftsmodelle und "Patent-Fabriken" boomen in den USA: So hat der texanische Milliardär Ross Perot kürzlich einen gesonderten Fonds in Höhe von 200 Millionen US-Dollar aufgelegt, mit dem allein Firmen mit unterbewerteten Patentportfolios aufgekauft werden sollen. Ziel ist es, Kapital aus dem "brach liegenden" geistigen Eigentum zu schlagen. Und Firmen wie Acacia, hierzulande hauptsächlich wegen Patentstreitigkeiten mit Erotikanbietern und Medienfirmen bekannt geworden, oder TPL haben die Nutzung eines ausgedehnten Patent-Portfolios schon länger als Geschäftsmodell entdeckt.

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online):

(Stefan Krempl) / (jk)