EU-Kommission gibt Empfehlung zur Lizenzierung von Musik-Downloads ab

Das neue Kombi-Modell aus Brüssel sieht vor, dass Rechteinhaber sich künftig eine Verwertungsgesellschaft aussuchen und bestimmen können, in welchen Ländern ihre Inhalte lizenziert werden.

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Die EU-Kommission hat an Branchenverbände den Entwurf für eine Empfehlung geschickt, in der sie ihre Vorschläge zur einfacheren Lizenzierung von Rechten für den Online-Musikmarkt noch einmal überarbeitet hat. Demnach sollen sich Rechtenutzer künftig eine Verwertungsgesellschaft aussuchen und Rechteinhaber bestimmen können, in welchen Ländern ihre Inhalte lizenziert werden. Die Verwertungsgesellschaften könnten wie bisher Verträge zur gegenseitigen Musiklizenzierung abschließen. Sollte die Empfehlung in eine Richtlinie umgesetzt werden, sieht Peter Zombik, Geschäftsführer der deutschen Phonoverbände (IFPI), gravierende Veränderungen auf die Verwertungsgesellschaften zukommen. Gegenüber heise online gab er zu bedenken, dass einzelne von ihnen damit große Machtpositionen erlangen könnten. Es gebe noch "zahlreiche offene Fragen" zu klären.

Die Kommission hatte ursprünglich drei Optionen in Erwägung gezogen: Nichts zu tun, die bestehenden territorialen Bindungen von Inhalteanbietern an eine nationale Verwertungsgesellschaft aufzuheben oder den Rechteinhabern die größtmögliche Freiheit bei der Vergabe ihrer Rechte an einzelne Verwertungsgesellschaften zu überlassen. Option 3 wäre dabei die am weitesten gehende gewesen, da sich die Rechteinhaber faktisch für irgendeinen Verwertungspartner in der EU hätten entscheiden könnten. Die Option 2 sah dagegen "nur" vor, dass die Betreiber von Musik-Plattformen im Netz, also die Rechtenutzer, mit einer einzigen Verwertungsgesellschaft das gesamte Europageschäft abrechnen.

Die Kommission will es nicht beim Bestehenden belassen, weil sie die weit hinter den USA zurückbleibenden Zahlen legaler Downloads in Europa mit den komplizierten Lizenzierungsverfahren auf dem alten Kontinent begründet. Bei der Option 2 würden die gegenseitigen Lizenzvereinbarungen der Verwertungsgesellschaften weitgehend undurchsichtig bleiben, bemängelte Oliver Castendyk, Direktor des Potsdamer Erich Pommer Instituts, auf einer Diskussionsrunde während der Popkomm in Berlin. Der administrative Aufwand bei den Gesellschaften bliebe zudem hoch. Option 3 würde den Wettbewerb zwischen den Verwertungsgesellschaften laut Castendyk am meisten verschärfen und es den Rechteinhabern ermöglichen, sie durch gemeinsame Pools zu umgehen. Für die Inhalteanbieter und Nutzer der Rechte hätte dies aber den Nachteil, dass sie nie genau wissen könnten, welche Gesellschaft oder welche Organisation welche Rechte besitzt.

Horst Weidenmüller, Geschäftsführer des Labels !K7, beklagte zudem, dass unabhängige Label durch die Option 3 schwer benachteiligt würden. Für die Großinhaber von Rechten sei dieses Modell zwar ideal, weil sie damit eine starke Verhandlungsposition gegenüber Verwertungsgesellschaften hätten. Kleine Labels, die nur mit bescheideneren Rechte-Repertoires aufwarten können, würden dagegen in die Röhre schauen. Große Verwertungsgesellschaften würden eventuell keine Verträge mehr mit ihnen abschließen und kleinere dann teurere Preise berechnen. Im Gegensatz zu großen Inhalteanbietern wie AOL oder MTV sei es den Indie-Labels zudem nicht möglich, eigene Verträge etwa fürs Webcasting ihrer Werke mit Verwertern zu schließen. Auch Zombik äußerte auf der Popkomm Bedenken gegenüber der dritten Option: Kleine Verwertungsgesellschaften könnten damit nur ein Nischenrepertoire anbieten. Allgemein würden die Transaktionskosten nicht reduziert.

Die Experten auf der Musikmesse mochten das von der Kommission vorgeschlagene Modell nicht abschließend beurteilen. Der stellvertretende GEMA-Vorsitzende Jürgen Becker erklärte, dass sein Haus mit einer "Option 3a" leben könne und für den Wettbewerb unter den Verwertungsgesellschaften gerüstet sei. Eine echte Notwendigkeit für neue Lizenzierungsmodelle sieht er nicht: "Die bestehenden gegenseitigen Vereinbarungen funktionieren." Die europäischen Verwertungsgesellschaften hätten zudem schon zu einer Zeit mit den Abkommen von Santiago und Barcelona multilaterale europaweite Lizenzierungsvereinbarungen abgeschlossen, als der Markt dafür noch gar nicht reif gewesen sei.

Siehe zur Popkomm 2005 auch:

Zu früheren Musikmessen:

(Stefan Krempl) / (anw)