Filmindustrie macht gegen "Raubkopierer-Klausel" mobil

Der Verband der Filmverleiher sowie die GVU drängen weiter auf eine vollständige Kriminalisierung von Tauschbörsen-Nutzern und fordern einen Auskunftsanspruch gegenüber Providern.

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Mit "großer Sorge" nimmt der Verband der Filmverleiher (VdF) zur Kenntnis, dass das Bundesjustizministerium auch im überarbeiteten Referentenentwurf für die zweite Reformstufe des Urheberrechtsgesetzes nicht auf die Einführung einer "Bagatellgrenze" verzichten will. Mit dem geplanten Gesetzesvorbehalt sollen rechtswidrige Vervielfältigungen straffrei bleiben, wenn sie "nur in geringer Zahl und ausschließlich zum eigenen privaten Gebrauch" hergestellt werden. "Sollte diese neue Vorschrift ohne Einschränkung auch für den Kinofilmbereich gelten, ist unser Kampf gegen die Auswirkungen der Piraterie zum Scheitern verurteilt", schlägt VdF-Geschäftsführer Johannes Klingsporn jetzt in einem heise online vorliegenden Schreiben an Bundesjustizministerin Brigitte Zypries Alarm. Er bittet die SPD-Politikerin "dringend, auf die Einführung dieser 'Raubkopierer'-Klausel zu verzichten."

Die Filmverleiher, die schon im Herbst gegen die Bagatellgrenze zu Felde zogen, befürchten insbesondere zwei Konsequenzen: "eine absurde Schwächung der Rechtsverfolgung sowie eine Legalisierung von Milliarden von Raubkopien". Die vorgesehene Änderung hätte zur Folge, "dass aus Sicht des Gesetzgebers das Mitschneiden aktueller Kinofilme im Kinosaal zunächst straffrei wäre", hält Klingsporn Zypries vor Augen. Gleiches gelte für zehntausende Mitarbeiter in der Filmindustrie: Private Vervielfältigung werde strafrechtlich nicht verfolgt, wenn sie im geringen Umfang erfolge. Eine Begründung dieser "absurden Schwächung der Rechtsverfolgung" sei im Referentenentwurf nirgends geliefert worden.

Die Einführung einer Bagatellklausel hätte zur Folge, dass die 40 Millionen Nutzer, die laut der aktuellen Brennerstudie der Filmförderungsanstalt Zugang zu digitalen Vervielfältigungstechniken haben, ohne Strafandrohung Filme herunterladen dürften, warnt Klingsporn weiter. Wenn jeder User 50 Kopien von aktuellen Filmen pro Jahr herstelle, eröffne dies eine "Flut von 2 Milliarden Kopien, die straffrei gegen den Willen der Rechteinhaber privat vervielfältigt werden dürfen", rechnet der Interessensvertreter an einem Beispiel vor. Da die neue Rechtssituation zudem wohl "von interessierten Medien mit Begeisterung propagiert" werde, komme die Klausel letztlich einem "Freibrief für (zunächst) digitalem Diebstahl" gleich.

Parallel haben die Filmverleiher in Kooperation mit der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) ihre ausführliche rechtliche Stellungnahme zum so genannten "2. Korb" der Urheberrechtsreform überarbeitet. Sie vergleichen darin die Debatte um die Straffreiheit gelegentlicher nach dem neuen Gesetz aber illegaler Tauschbörsennutzung mit der "in den siebziger und achtziger Jahren geführten Diskussion über den Ladendiebstahl". Die vom Justizministerium gesehene Gefahr der Kriminalisierung weiter Bevölkerungskreise sehen sie nicht. "Kleinere Fälle" würden schon heute in der Praxis "tat- und schuldangemessen abgehandelt", also entweder gar nicht verfolgt oder rasch eingestellt. Gleichwohl sei die "erzieherische Wirkung" aber groß.

Nicht locker lassen die Rechteinhaber zudem bei ihrer Forderung nach einem Auskunftsanspruch gegen Provider. Oberlandesgerichte in Frankfurt und in München haben in diesem Zusammenhang in den letzten Monaten geurteilt, dass Internetanbieter auf Grund der momentanen Gesetzeslage die persönlichen Daten ihrer Kunden beim Verdacht auf Urheberrechtsverletzungen nicht herausgeben müssen. "Wir erwarten vom Gesetzgeber jetzt verbindlich eine Zusage für eine konkrete Regelung, die eine effektive Rechtedurchsetzung gegen Raubkopierer ermöglicht", erklärte GVU-Vorstand Christian Sommer gegenüber heise online. Die Position der Rechteinhaber würde ohne Auskunftsanspruch im 2. Korb geschwächt.

Im Bundesjustizministerium gibt es derweil Überlegungen, das umstrittene Instrument zur Offenlegung von Kundenidentitäten eventuell in das neu zusammengeschnürte Telemediengesetz zu integrieren. Noch prüfen die Experten dort aber, inwieweit ein Auskunftsanspruch im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Durchsetzung des "geistigen Eigentums" überhaupt ins deutsche Recht eingeführt werden muss. Till Kreutzer vom Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS), hat weiter Bedenken: "Die Provider müssten dann im Gesetz zu Störern und Mitverantwortlichen für Urheberrechtsverletzungen deklariert werden", erläutert er die juristischen Probleme. Zudem seien die hohen datenschutzrechtlichen Hürden zu beachten.

Zu dem Entwurf des Bundesjustizministeriums für die weitere Novellierung des Urheberrechts siehe auch:

Zur Auseinandersetzung um das Urheberrecht siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)