Apple verbannt kritisches iPhone-Spiel aus dem App Store

Mit der "Phone Story" will Molleindustria auf die Arbeitsbedingungen in der Handy-Produktion hinweisen und erreichte erst nach einem Verbot mediale Aufmerksamkeit.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 331 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Phone Story prangert die zynischen Produktionsbedingungen bei der Handyherstellung an.

(Bild: Molleindustria)

Der in Italien ansässige Entwickler Molleindustria nimmt mit seinen Spielen gerne Auswüchse des Kapitalismus und der Kirche aufs Korn. Seine Mini-Spielchen thematisieren die Machenschaften der Öl- und Fast-Food-Industrie, Kindesmissbrauch in der Kirche und Verschwörungen gegen Wikileaks. Doch am meisten Aufmerksamkeit erregte die neueste Produktion Phone Story, weil sie von Apple nach wenigen Stunden aus dem App Store wieder verbannt wurde.

"Let me tell you the Story of this phone, while I provide you with quality entertainment," beginnt die aufklärerische Mini-Spiel-Sammlung. Sie will dem Smartphone-Besitzer vor Augen führen, unter welchen Arbeitsbedingungen sein Handy produziert wurde. Im ersten Level muss der Spieler Kinder in den Minen von Kongo zur Arbeit antreiben, die das Erz Coltan schürfen. Danach geht es in Anspielung auf die Suizid-Serie bei Foxconn weiter nach China, wo der Spieler selbstmordgefährdete Arbeiter beim Sprung aus einem Fabrikgebäude auffangen muss. Der zynische Kommentar erklärt, dass die Firma nicht etwa die unmenschlichen Arbeitsbedingungen verbessert, sondern Auffangnetze installiert hätte, damit die Arbeiter nicht mehr vom Firmengebäude springen.

Im dritten Level soll der Spieler die Handys an heranstürmende Kunden verkaufen. „Wir haben eine Menge Geld ausgegeben, um die Nachfrage zu wecken, den Wunsch nach Status, Individualität und Lebensstil,“ heißt es von der Stimme aus dem Off. Schließlich wird das Smartphone entsorgt, weil ein neues Modell auf den Markt kommt. Es produziert „hochgiftigen Müll“, den der Spieler von einem Förderband aussortieren muss.

In der Begründung, die Molleindustria von Apple zur Verbannung aus dem App Store erhielt, heißt es, das Spiel würde gegen die Geschäftsbedingungen verstoßen. So seien Inhalte verboten, die "Gewalt oder den Missbrauch von Kindern" sowie "falsche, betrügerische oder irreführende Darstellungen" zeigen. Zudem sei es kostenpflichtigen Programmen nicht erlaubt, Spenden zu sammeln. Molleindustria hatte jedoch lediglich angekündigt, seinen Anteil von 70 Prozent aus den App-Verkäufen an Organisationen spenden zu wollen, die sich für die Rechte von Arbeitern einsetzen. Über die Hintergründe der Handy-Produktion informiert Molleindustria derweil auf seiner Webseite.

Nach dem Rauswurf aus dem App Store ist das Programm inzwischen für 73 Cent im Android Market erhältlich. In einem Interview mit dem US-Magazin Gamasutra kritisiert Molleindustria-Entwickler Paolo Pedercini Apples Geschäftsgebaren. Er halte es für essentiell wichtig, Kritik an einer Plattform auf der Plattform selbst veröffentlichen zu können. Phone Story verletze Apples Geschäftsbedingungen nicht. Ziel sei es gewesen, mit viel "Schwarzem Humor", einen "hässlichen Zwerg" in Apples "ummauerten Garten" zu pflanzen. "Für Apple sind Apps keine Kulturgüter wie Bücher oder Musik," zeigt sich Pedercini konsterniert. "Welche Reaktionen würde Apple hervorrufen, wenn es alle unliebsamen Bücher oder Songs aus dem iTunes-Store verbannen würde?" Letztlich profitiert Molleindustria allerdings auch von dem Rauswurf: Phone Story hätte sonst kaum derartige Aufmerksamkeit erregt. (hag)