Tiefer, breiter, seltener: der gegenläufige Flachmotor

Gegenkultur: der Boxermotor

Der Boxermotor hat so viele physikalische Vorteile, dass man seine praktischen Nachteile fast vergisst. Es gibt gute Gründe, warum kaum noch jemand Boxer baut und gute Gründe für die, die es noch tun.

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Stuttgart, 16. Februar 2012 – Kein Grad an Nacharbeit kann ein anständiges Grundlayout ersetzen. Deshalb wird ein Porsche Cayenne niemals ein Rennen gegen seine weniger bucklige Verwandtschaft gewinnen, und deshalb freuen sich Fahrzeug-Feinschmecker so auf den Subaru BRZ: McPhersons vorne, Doppelquerlenker hinten, Standardantrieb, Sperrdifferenzial. Es ist die klassische Konfiguration des Fahrer-Wagens, deshalb macht Subaru auch ein geradezu obsessives Gewese um den tiefen Schwerpunkt. Um den bei einer ausgeglichenen Gewichtsverteilung zu erreichen, preist die Firma den Boxermotor an – zu Recht.

Ein Boxermotor sieht von außen aus wie ein V-Motor mit einem Zylinderwinkel von 180°. Ein echter 180°-V-Motor bewegt jedoch je zwei Pleuel pro Kurbelzapfen gleichzeitig in dieselbe Richtung. Das vielleicht bekannteste Beispiel eines solchen Motors war Ferraris Zwölfzylinder im Testarossa. Bei einem Boxermotor hingegen sitzt jedes Pleuel auf einem eigenen, diametral entgegengesetzten Zapfen, sodass sich die Kolben eines Paares gleichzeitig gegenläufig bewegen. Das gibt dem Boxer erstens seinen Namen und zweitens seinen ausgezeichneten Massenausgleich: Ein Kolben spiegelt die Bewegung des anderen, es gibt keine freien Massenkräfte erster oder zweiter Ordnung. Boxer gibt es also wie V-Motoren nur mit gerader Zylinderzahl, die Beziehung der Kolbenpaare ist jedoch wesentlich enger als bei anderen V-Motoren. So ist es zum Beispiel eine beliebt-bewährte, weil wirksame Maßnahme gegen einen zu stark schüttelnden Boxer bei BMW-Motorrädern, die Kolbengewichte zu messen und exakter anzugleichen. Dann bleiben dem Boxer nur noch seine freien Massenmomente, die aus dem Versatz der Zylinderpaare entstehen. BMW verbaut in neueren Boxern daher Ausgleichswellen, bei Mehralszweizylinderboxern gibt es das Problem nicht.

Pro- und Contra-Motor

Die Idee des Boxers ist derart elegant und naheliegend, dass zu den frühesten Mehrzylindern der Maschinenbaugeschichte ein Boxermotor gehört: Carl Benz erfand auf der Suche nach Leistung für Pkw und Rennmaschinen bereits 1897 den "Contra-Motor", einen Zweizylinderboxer. Erst 1885 hatte Herr Benz seinen ersten Motorwagen überhaupt gebaut. Der badische Erfinder wählte den Gegenläufer als Motor auch aus dem Grund der Kühlung: wenn sich die Zylinderbänke in einer Linie zu beiden Seiten der Kurbelwelle wegstrecken, erlaubt das die bestmögliche Wärmeabfuhr. Aus diesem Grund waren die wohl berühmtesten luftgekühlten Motoren der Autogeschichte Boxer, und aus diesem Grund sind Boxer- und V-180°-Motoren bis heute im Flugzeugbau interessant. Sie sind außerdem sehr gut dazu geeignet, den Schwerpunkt eines Fahrzeugs zu senken. Keine andere Bauform baut bei gleichem Hubraum niedriger, und obwohl ein liegender Reihenmotor ähnlich flach würde, fehlt ihm die Symmetrie, die Subaru und Porsche für ihre optimale links-rechts-Gewichtsverteilung nutzen.

Der tiefe Schwerpunkt ist ein bekannter Pluspunkt des Boxers, da er entsprechend beworben wird. Kenner schätzen jedoch auch die weniger beworbene Möglichkeit einer flachen Motorhaube, die eine gute Sicht auf den Asphalt freigibt – ein Aspekt, auf den sonst vor allem Mittel- und Heckmotorkonzepte achten können (Porsche 911, McLaren MP4-12C). Die Motorhaube des BRZ ist angenehm flach, und diese Tugend schätzten auch Fahrer der Boxer-Alfas. Auch die neuen Fußgängerschutzvorschriften können mit einem Boxermotor gut erfüllt werden, denn statt einer flachen Motorhaube, über die der Fahrer den Fußgänger gut sieht, kann man auch eine Motorhaube mit Raum zum Nachgeben bauen, die einen übersehenen Fußgänger sanfter aufprallen lässt.