Ein zweites Getriebe, zwei zusätzliche Kupplungen, viel Elektronik

So funktioniert der Allradantrieb des Ferrari FF

Der Ferrari FF treibt erstmals in der Firmengeschichte (zeit­weise) alle vier Räder an. Da Ferraris Ingenieure die Nachteile klassischer Allrad­antriebe nicht hinnehmen wollten, konstruierten sie eine wilde Lösung.

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  • cgl
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Stuttgart, 22. Februar 2012 – Meistens ist es eine gute Idee, seine Kunden bei einem Modell-Update zu fragen, was sie wollen, was man besser machen könnte. Eine sehr schlechte Idee ist es jedoch meistens, Kunden zu fragen, was für ein neues Produkt sie gerne hätten, weil sich die meisten Menschen dann nur Dinge wünschen, die sie schon kennen. "Die Leute wissen gar nicht, was sie wollen, bis wir es ihnen zeigen", sagte Steve Jobs zu diesem Thema. Bei der Planung des FF hat sich Ferrari dazu hinreißen lassen, die Kunden zu fragen, was sie denn gerne für einen neuen Wagen hätten. Die Befragten wünschten sich einen stark motorisierten Viersitzer mit ausreichend Kofferraumvolumen, der bei Nässe einfach zu fahren ist.

Im Prinzip hätte Ferrari also ein paar hundert Audi RS4 Avants kaufen, die rot anmalen und mit Ferrari-Aufklebern für den doppelten Preis verkaufen können. Das wollten sie dann doch nicht, also hörten sie nur noch mit einem Ohr auf die merkwürdigen Kundenwünsche und gingen einen völlig neuen, sehr komplizierten Weg. Denn Eines wollte man in Maranello nicht aufgeben: gute Fahrbarkeit. Die kommt vor allem aus perfekter Balance, die Ferrari, weil sie mit Platz nicht geizen müssen, gern so herstellt: Front-Mittelmotor hinter der Vorderachse, Hinterradantrieb, Getriebe direkt am Hinterachsdifferenzial (Transaxle-Layout). Die zusätzliche Traktion bei Nässe sollten zeitweise angetriebene Vorderräder herstellen.

Vier Räder antreiben – aber wie?

Ein klassisches mechanisches Allradsystem in einem echten Geländefahrzeug ist normalerweise so aufgebaut, dass Drehmoment vom Motor über das Getriebe an ein Mitteldifferenzial geschickt wird, das meistens als zweites Getriebe mit niedriger Geländeuntersetzung ausgelegt ist. Von dort führen je eine Kardanwelle zum vorderen und hinteren Achsdifferenzial. Diese Bauart war Ferrari natürlich viel zu schwer, außerdem hätte es Platz im Innenraum gekostet und den Schwerpunkt des Fahrzeugs angehoben. Einen Allradantrieb in einem Straßenfahrzeug kann man einfacher haben: längs eingebauter Frontmotor vor der Vorderachse, in ein Gehäuse integriertes Getriebe mit Front- und Mitteldifferenzial, Kardanwelle zur Hinterachse. Audi und Subaru sind die bekannten Vertreter dieser Bauweise. Auch das war Ferrari jedoch erstens zu schwer und zweitens zu kopflastig. Sie wollten zudem ja nur eine Traktionshilfe, das Fahrzeug sollte die meiste Zeit einen normalen, Handling-optimierten Hinterradantrieb haben. Schließlich und letztlich hätte man gerade für so eine Anwendung die zweite Achse elektromotorisch antreiben können, mit Strom aus einem vergrößerten Generator, wie es VW mit dem Cross Coupé vorhat. Dazu fehlte Ferrari vielleicht die Hochvolttechnik oder die Lust, denn sie gingen einen ganz eigenen, mechanischen Weg voll hochkomplexer Regeltechnik.