Bundesrat ringt um Kurs zur Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten

Innenpolitiker der Länder wollen eine Verschärfung des Richtlinienvorschlags aus Brüssel zur Speicherung von Telekommunikations-Verbindungsdaten, Wirtschaftspolitiker halten die Überwachungsmaßnahme für unnötig. Streit gibt es vor allem wegen der Kosten.

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Auch die Bundesländer wollen in der hitzigen Debatte um die in Brüssel geplante pauschale Aufzeichnung der elektronischen Spuren der 450 Millionen EU-Bürger ein Wörtchen mitreden. Unter der Federführung des EU-Ausschusses haben eine Reihe von Fachgremien des Bundesrates daher Empfehlungen für eine Stellungnahme der Länderkammer entwickelt (PDF-Datei). Über sie soll am kommenden Freitag in der Plenarsitzung abgestimmt werden. Einig sind sich die Fachpolitiker bislang aber nur, dass sie eine Pflicht zur Übernahme der bei den betroffenen Unternehmen anfallenden Zusatzkosten verhindern wollen. Über den grundsätzlichen Sinn einer gesetzlichen Regelung der massiven Überwachungsmaßnahme auf EU-Ebene sowie eventuelle Fristen für die Vorhaltung der begehrten Telekommunikationsdaten laufen die Meinungen dagegen noch weit auseinander.

Bei dem Vorhaben von EU-Rat und EU-Kommission geht es um die Speicherung der Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, SMS, E-Mailen, Surfen oder Filesharing anfallen. Mit Hilfe der Datenberge sollen Profile vom Kommunikationsverhalten und von den Bewegungen Verdächtiger erstellt werden. Telefondaten will die Kommission laut ihrem Richtlinienentwurf zwölf, Internetdaten sechs Monate aufbewahrt wissen. Der EU-, der Innen- und der Rechtsausschuss des Bundesrates begrüßen nun zunächst die Intention der Direktive, da damit die erfassten Daten "zum Zweck der Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten wie Terrorismus und Organisierter Kriminalität zur Verfügung" stünden.

Demgegenüber plädiert der Wirtschaftsausschuss dafür, dass die Bundesregierung in den Verhandlungen auf europäischer Ebene "auch weiterhin nachdrücklich für eine restriktive Handhabung der Vorratsdatenspeicherung" eintreten sollte. Im Verlauf der Beratungen zum neuen Telekommunikationsgesetz (TKG) seien die mit der Vorratsdatenspeicherung verbundenen Probleme eingehend diskutiert und die Maßnahme abgelehnt worden. An dieser Haltung sei festzuhalten.

Die EU- und Wirtschaftsexperten der Länder pochen zudem angesichts des tiefen Grundrechtseingriffs bei der pauschalen Nutzerbeschnüffelung auf eine Begrenzung der Speicherfrist von maximal drei Monaten, falls sich die Maßnahme nicht komplett verhindern lasse. Zudem sollen nur Daten vorrätig gehalten werden, die von den Anbietern schon heute für Geschäftszwecke vorübergehend gespeichert werden dürfen. Abzulehnen sei vor allem eine Überwachung der Standorte von Handy-Nutzern. Insbesondere der Rechtsausschuss hat dagegen Bedenken, ob die Vorratsdatenspeicherung überhaupt per Richtlinie eingeführt werden kann. Ihm scheint die Verabschiedung eins Rahmenbeschlusses des Rates plausibler, was aber in Brüssel heftig umstritten ist. Ferner äußern die Rechtspolitiker verfassungsmäßige und datenschutzrechtliche Einwände. Betroffen würden durch die Maßnahme nämlich nicht nur potenzielle Straftäter, "sondern alle, mit denen diese in dem betreffenden Zeitraum Telekommunikationsverbindungen nutzen." Dazu könnten Personen gehören, die in keiner Beziehung zu einer möglicherweise zu verhütenden oder später zu verfolgenden Straftat stehen.

Ganz andere Forderungen soll der Bundesrat gemäß dem Innenausschuss aufstellen: Ihm zufolge ist eine "Speicherfrist von mindestens zwölf Monaten für alle ermittlungsrelevanten Verkehrsdaten unerlässlich", vor allem auch eine Aufbewahrung von Informationen über die Internet-Nutzung. Dazu wollen die Innenpolitiker fehlgeschlagene Verbindungen sowie Daten aus dem "Stand by"-Betrieb von Telekommunikationsgeräten erfasst wissen. Nur so sei eine Verflechtung in kriminellen oder terroristischen Netzwerken lückenlos feststellbar. Mehrere Ausschüsse wollen ferner verhindern, dass die Sicherheitsbehörden Statistiken über die Zugriffe auf die potenziell anfallenden Datenberge führen müssten. Dies sei "mit erheblichem Aufwand verbunden" und könne von den Verwaltungen nicht geleistet werden.

Von Seiten der Industrie kommt zwar Lob für einige Empfehlungen insbesondere des Wirtschaftsausschusses. Den vorgeschlagenen Wegfall der Kostenerstattungsklausel bezeichnete Michael Rotert, Präsident des Vereins der deutschen Internetwirtschaft eco, jedoch gegenüber heise online als "Schlag ins Gesicht" der Telekommunikationsanbieter. Er sei "schwer enttäuscht" über derlei Überlegungen, zumal Mitglieder der Bundesregierung immer wieder versichert hätten, auch den Bedürfnissen der Unternehmen Rechnung tragen zu wollen.

Gemeinsam mit grundsätzlichen Vorbehalten gegen ein EU-weites Gesetz zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung wollte Rotert seinen Einspruch am heutigen Freitag auch in einem Gespräch mit Bundesjustizministerin Brigitte Zypries geltend machen. Die SPD-Politikerin hatte sich jüngst ebenfalls skeptisch gezeigt, ob die immensen Kosten für die Einführung der pauschalen Telekommunikationsüberwachung vom Staat getragen werden könnte. Laut Rotert kommen auf die Provider pro Unternehmen Anfangsinvestitionen in Höhe von bis zu 25 Millionen Euro zu, während sich die Folgekosten auf jährlich rund zehn Millionen Euro belaufen dürften.

Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, E-Mailen, SMS-Versand, Surfen, Chatten oder Filesharing anfallen, siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)