Neues BKA-Gesetz doch ohne Lizenz zur Online-Durchsuchung?

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat Anzeichen dafür, dass ihr Kollege im Innenressort heimliche Online-Durchsuchungen bei den erweiterten Befugnissen fürs Bundeskriminalamt zunächst ausklammern will.

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Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hofft auf eine baldige Einigung im Streit um die Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA). Sie hat Anzeichen dafür, dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) bei den von ihm bislang im Rahmen der Reform geforderten Netzbespitzelungen mehr Zeit für Diskussionen lassen will: "Auch der Innenminister scheint inzwischen von seiner Forderung abzurücken, dass der Gesetzentwurf zu den neuen Zuständigkeiten des Bundeskriminalamts die heimlichen Online-Durchsuchungen enthalten muss", sagte die SPD-Politikerin der Berliner Zeitung. "Es scheint sich abzuzeichnen, dass er das BKA-Gesetz ohne diesen Punkt den Ländern zur Abstimmung vorlegen wird." Damit würde Schäuble auf die SPD-Linie einschwenken, wonach bei der von der Union gewünschten Lizenz zur Durchforstung von Festplatten privater Computer und Speicherplattformen im Netz noch zahlreiche verfassungsrechtliche und technische Fragen offen sind.

"Heimliche Online-Durchsuchungen sind ein extremer Eingriff in die Privatsphäre", erklärte Zypries in diesem Sinne. "Bevor dieses Ermittlungsinstrument eingeführt wird, müssen die technischen Möglichkeiten, deren Folgen und die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen geklärt werden." Es müsse auch geprüft werden, wie Dritte geschützt werden können. "Was geschieht beispielsweise, wenn das Bundeskriminalamt einen Trojaner in einem Computer platziert, der mit einem Krankenhaus verbunden ist? Kann die Polizei dann sämtliche Krankenakten einsehen?", brachte die Justizministerin ein Beispiel für ungelöste Probleme von Online-Razzien.

Dies alles muss laut Zypries nach der Verabschiedung der Novelle des BKA-Gesetzes separat "in Ruhe" beraten werden. Auf diese Weise könne auch berücksichtigt werden, wie das Bundesverfassungsgericht die Klage gegen Online-Durchsuchungen bewertet. Bürgerrechtler sowie der Ex-Innenminister Gerhart Baum (FDP) haben Verfassungsbeschwerde gegen das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz eingelegt, das eine rechtliche Basis für Netzbespitzelungen schafft. Auch der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz hatte jüngst erklärt: "Man kommt mit der Novelle des BKA-Gesetzes viel besser ans Ziel, wenn man die Online-Durchsuchung davon abtrennt und gesondert verhandelt."

Der Entwurf für die neuen Präventivbefugnisse enthält zahlreiche Punkte, die an sich Potenzial für längere Koalitionsstreitigkeiten haben. Bisher war die präventive Abwehr von Terroranschlägen Aufgabe der Länder. In insgesamt 25 Paragrafen werden dem BKA in dem Papier nun aber neue "vorsorgliche" Überwachungsmöglichkeiten eingeräumt. So soll es Gefährder vorübergehend in Gewahrsam nehmen, deren Wohnungen durchsuchen oder einen großen Lauschangriff durchführen dürfen. Vorgesehen ist auch, dass das Polizeiamt künftig selbst präventive bundesweite Rasterfahndungen starten kann. Bisher durfte es nur die auf der Suche nach "islamistischen Schläfern" erfolglos gebliebenen Rasterfahndungen der Länder koordinieren. Auch das vorübergehende Abhören von Telefonen und E-Mail soll zur Abwehr einer "dringenden Gefahr" für Leib und Leben möglich werden.

Offiziell steht das BKA-Gesetz am 23. und 24. August während der Sommerklausur der Bundesregierung im brandenburgischen Schloss Merseberg voraussichtlich am Rand wieder auf der politischen Agenda. Kanzlerin Angela Merkel hofft nach eigenen Worten auf eine Lösung im Herbst. "Hier besteht dringender Handlungsbedarf", hatte die CDU-Politikerin betont. Ihrer bisherigen Ansicht nach müssen die heimlichen Online-Durchsuchungen aber gleich in das Gesetz integriert werden. Auch Kanzleramtschef Thomas de Maizière hat Online-Razzien gerade verteidigt. Es bleibt daher abzuwarten, inwiefern sich die SPD in der seit Monaten geführten Auseinandersetzung tatsächlich durchsetzen kann.

Die umstrittene heimliche Online-Durchsuchung eines Computers stößt bei Datenschützern ebenso wie bei Juristen auf Skepsis. In einer Reihe von Artikeln melden sie grundsätzliche Bedenken an und warnen vor der beabsichtigten Änderung des Grundgesetzes. Siehe dazu:

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)