Experten fordern Produkthaftung für Software

Hersteller von Computerprogrammen und Netzbetreiber sollen in Fragen der Haftung und der AGB genauso behandelt werden wie alle anderen Unternehmen, so der Tenor einer Verbraucherkonferenz.

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Hersteller von Computerprogrammen und Netzbetreiber sollen in Fragen der Haftung und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) genauso behandelt werden wie alle anderen Unternehmen, lautete der Tenor auf einer Konferenz des Bundesverbraucherschutzministeriums am heutigen Donnerstag in Berlin. "Software fällt nicht unter die Produkthaftung", beklagte Gerald Spindler von der juristischen Fakultät der Universität Göttingen. "Aber was ist, wenn ein ganzer Betrieb ausfällt wegen mangelhafter Software?" Auch beim Betrieb von Netzinfrastrukturen gebe es "eine ganze Reihe von Haftungsprivilegien", die unter normalen Umständen undenkbar seien. Selbst die grobe Fahrlässigkeit bleibe außen vor. Der Rechtsprofessor plädierte daher für die Anpassung der Haftungsregeln im IT-Bereich an die anderen Branchen. Dies würde letztlich die Rechtssicherheit für die Anbieter erhöhen. Für die Verbraucherschützer hätte eine solche Regelung zudem den "Charme", dass sie gegen schwarze Schafe in der Branche einfacher vorgehen könnten.

"Es wäre ein Riesenfortschritt, wenn die rechtlichen Privilegierungen der IT-Branche fallen würden", stieß Hans Micklitz, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats für Verbraucher- und Ernährungspolitik beim Verbraucherschutzministerium ins gleiche Horn. Softwarehersteller seien "genauso zu behandeln bei der Haftung wie jede kleine Klitsche". Da die EU-Kommission in dieser Angelegenheit die Hände in den Schoß lege, werden die Mitgliedsstaaten Micklitz zufolge nicht umhin kommen, selbst entsprechende Standards zu setzen. Wenn man präventiv die Sicherheit im IT-Bereich zu weiten Teilen in die Hände der Industrie oder in Mechanismen der Selbstregulierung lege, könne der relative Zugang zur Technik am Ende nur durch effiziente Mechanismen der ­ auch kollektiven ­ Haftung gewährleistet werden. Der von Micklitz geführte wissenschaftliche Beirat hat eine ausführliche Stellungnahme (PDF-Datei) zum Verbraucherschutz in der digitalen Welt erarbeitet, welche die Kernprinzipien der vom Ministerium aufgestellte Charta teilweise forcierter einfordert.

"Warum ist eigentlich Software kein Produkt, obwohl wir sie wie eine Waschmaschine kaufen?", griff Edda Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) den Faden auf. Michael Rotert, Vorsitzender des Verbands der deutschen Interentwirtschaft eco, pochte ebenfalls darauf, dass "Software mit weniger Fehlern ausgeliefert werden muss." Sicherheit sei noch stärker schon in der Entwicklungsphase von Produkten zu berücksichtigen und "sollte nicht in Form von Zusatzpaketen teuer erkauft werden müssen".

Datenschutz- und Sicherheitsexperten sprechen sich bereits seit einigen Jahren dafür aus, die Verlässlichkeit von Software durch die Ausweitung von Haftungsregeln zu erhöhen. Mit der Debatte im ministeriellen Umfeld erhöht sich nun der Druck auf den Gesetzgeber, in diesem Feld klarere Regeln zu schaffen. Dorothee Belz, in der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland für Rechtsfragen zuständig, mahnte allerdings zur Zurückhaltung bei staatlichen Vorgaben. "Wenn kriminelle Aktivitäten im Internet stattfinden, inwieweit ist es dann in der Verantwortung des Softwareherstellers, diese auszuschließen?", fragte die Juristin. Müsse ein Hausbauer etwa von vornherein verhindern, dass man in Türen eingebaute Schlösser knacken könne? Die Diskussion um Sicherheitsstandard sei ferner "industriegeführt" voranzutreiben, da die Politik hier nicht "am Puls der Zeit" sei. Microsoft selbst habe mit Vista und Office 2007 begonnen, schon in die Software-Entwicklung "höchste Sicherheitsmaßstäbe reinzupacken". Auch habe man erstmals ein eigenes Produkt hierzulande datenschutzrechtlich prüfen und zertifizieren lassen.

Für Rainer Metz, Unterabteilungsleiter im Verbraucherschutzministerium, hinkt der Vergleich mit Tür und Schloss allerdings. Dieser sei nicht auf die moderne Technologie zu übertragen, da der Verbraucher hier selbst nur noch Bildschirm und Tastatur überprüfen könne. Die eigentlichen Sicherheitsmechanismen würden ihm dagegen anders als bei physischen Gütern dagegen verborgen bleiben. "Wir müssen die Hersteller stärker zur Verantwortung ziehen und zu anderen Standards kommen", betonte der Ministeriumsvertreter daher. Insgesamt solle mit der Charta ein Prozess in Gang gebracht werden, um den Verbraucherschutz im IT-Bereich zu verbessern. Rechtsansprüche an sich könne man daraus aber nicht ableiten.

Europäische Verbraucherschutzorganisationen waren zuvor jahrelang mit Vorschlägen für die Ausarbeitung entsprechender Prinzipien von einer Ratspräsidentschaft zur nächsten getingelt, bis sich das deutsche Verbraucherschutzministerium der Sache annahm. Die noch junge EU-Verbraucherschutzkommission unterstützt die Charta prinzipiell, wagte dazu aber bislang keinen eigenen Vorstoß. Die Kommissarin Meglena Kuneva verweist vielmehr in diesem Zusammenhang auf eine noch bis Mai laufende Konsultation zur "Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz". Ein entsprechendes, für Kommentare offenes Grünbuch (PDF-Datei) hat ihre Behörde Anfang Februar vorgestellt. (Stefan Krempl) / (vbr)