EU-Gipfel macht Weg frei für das Einheitspatent

Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben sich darauf geeinigt, dass Paris der Hauptsitz des neuen geplanten Patentgerichts werden soll, und haben damit das letzte große Hindernis für das gemeinsame Schutzrecht ausgeräumt.

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Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben sich am Freitag bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel darauf geeinigt, dass Paris der Hauptsitz des neuen geplanten Patentgerichts werden soll. Damit haben sie das letzte noch verbliebene große Hindernis für das sogenannte Einheitspatent ausgeräumt. Das gemeinsame neue gewerbliche Schutzrecht, das von Italien und Spanien nicht mitgetragen wird und vielfach auf scharfe Kritik stößt, soll die Anmeldung von Erfindungen für Unternehmen vor allem durch das Einsparen von Übersetzungen deutlich kostengünstiger machen. Experten haben an diesem Anspruch aber Zweifel angemeldet.

Der Sitz des Patentgerichts hatte in den vergangenen Monaten für heftige Auseinandersetzungen gesorgt. Ursprünglich sollte das Einheitspatent schon Ende 2012 unter Dach und Fach sein. Deutschland, Frankreich und Großbritannien meldeten aber alle Anspruch auf die Zentralstelle an. Die Bundesregierung drängte auf München, da dort bereits das Europäische Patentamt (EPA) seine Hauptniederlassung hat und hierzulande die meisten Patentstreitigkeiten innerhalb der EU ausgefochten werden. Auch als Mitte der Woche vorab bekannt wurde, dass die Entscheidung für Paris gefallen sei, soll der britische Premierminister David Cameron noch sein Veto angekündigt haben. Letztlich lenkte er aber doch ein.

Im Gegenzug konnten die Briten laut einer Mitteilung des Europäischen Rates durchsetzen, dass die Artikel 6 bis 8 aus dem Gesetzestext für das Einheitspatent gestrichen werden sollen.
Diese hätten das letzte Wort in Auseinandersetzungen über Patentverletzungen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) überlassen. Auch hierzulande hatten Teile der Patentlobby diese Bestimmung vehement abgelehnt. Sie fürchteten, dass der EuGH das materielle Patentrecht verändern könnte. Es ging ihnen vor allem darum, dass die Vorschriften des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ),
auf dessen Basis das EPA derzeit unter anderem auch die umstrittenen Schutzrechte für "computerimplementierte Erfindungen" erteilt, außen vor bleiben.

Der erzielte Kompromiss sieht weiter vor, dass zwei Nebenstellen für das zentrale Patentgericht eingerichtet werden sollen. In München würden so etwa Fälle rund um "mechanische Ingenieurstechniken" verhandelt werden, wie sie etwa in der Automobilindustrie eine Rolle spielen. London soll für Chemie einschließlich Pharmazie und Biotechnologie zuständig sein. Deutsche Patentanwälte warnen nun vor einem "Wanderzirkus" der Streithähne und sich daraus ergebenden höheren Kosten.

Mittelstandsverbände und Verfechter freier Software treibt bereits seit Längerem die Sorge um, dass über die neue Patentgerichtsbarkeit die zahlreichen Softwarepatente legalisiert werden könnten, die das EPA über Jahre hinweg gegen den Geist der rechtlichen Grundlagen vergeben habe. Mit den in letzter Minute auf dem Gipfel angeregten Änderungen dürften sie sich in ihren Befürchtungen bestätigt sehen. Patentexperten gehen davon aus, dass das Konstrukt früher oder später vorm EuGH landen wird. Dieser hatte die frühen, später überarbeiteten Pläne für das abgespeckte Gemeinschaftspatent bereits für nicht vereinbar mit dem EU-Recht erklärt. Insgesamt bleibe ein "übler Nachgeschmack".

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier begrüßte dagegen die Einigung. Es handle sich um einen entscheidenden Schritt hin zur Schaffung des Einheitspatents. Der Franzose zeigte sich hoffnungsvoll und entschlossen, dass der erste entsprechende Schutzanspruch 2014 angemeldet werden könne. EPA-Präsident Benoît Battistelli freute sich über den "historischen Durchbruch". Barniers Landsmann unterstrich, dass das skizzierte Patentgericht die exklusive Rechtsprechung in Verletzungs- und Berufungsverfahren für Einheitspatente und die bestehenden "Bündelpatente" einzelner nationaler Schutzrechte haben werde.

Am Mittwoch muss das EU-Parlament noch seinen Segen für das Gesetzespaket zur Einrichtung des Einheitspatents geben. Der federführende Rechtsausschuss plädierte im Dezember für dessen Annahme. Mehrere Fraktionen wie die Grünen haben aber noch umfangreiche Änderungsanträge gestellt. Sie wollen verhindern, dass die EU quasi all ihre Mitentscheidungsbefugnisse über die Patentgerichtsbarkeit sowie die weitere Definition der Vergabepraxis des Europäischen Patentamts aus der Hand gibt. (hps)