Offener Zugang soll Durchbruch beim Glasfaserausbau bringen

Telekom-Wettbewerber und Regulierer sehen erste "Open Access"-Pilotprojekte beim Ausbau superschneller Datenautobahnen als erfolgreich an; bis zu eine Million Endkundenanschlüsse könnten so bald mit Glasfaser versorgt werden.

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Nach Ansicht von Telekom-Wettbewerbern und Regulierern sind erste "Open Access"-Pilotprojekte erfolgreich verlaufen und unterstützen den Ausbau superschneller Datenautobahnen. Bis zu eine Million Endkundenanschlüsse könnten auf Basis solcher offener Zugangsmodelle prinzipiell bereits mit Glasfaser versorgt werden, freute sich Gerd Eickers, Präsident des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), am Freitag bei einer Diskussionsrunde in Berlin: "Das hätte ich vor zwölf Monaten nicht für möglich gehalten." Nun müsse es darum gehen, die theoretisch vorhandenen Anschlussmöglichkeiten von der Vertrags- auf die Umsetzungsebene zu hieven.

Unter "Open Access" versteht die Telekommunikationsbranche einen Ansatz zum Aufbau von Netzen der nächsten Generation, bei dem ein Anbieter Dritten freiwillig, diskriminierungsfrei, transparent und zu angemessenen Bedingungen einen Zugang zur eigenen Infrastruktur einräumt. Die Diskussion darüber werde mit den ambitionierten Zielen der Breitbandstrategie des Bundes seit 2009 verstärkt geführt, erläuterte Matthias Ehrler von der Beratungsgesellschaft SBR Juconomy Consulting. Ein einheitliches Verständnis des Konzepts habe sich hierzulande aber noch nicht herausgebildet. Unumgänglich sei eine faire Preisgestaltung, damit die Erstinvestitionen in einem überschaubaren Zeitraum wieder eingespielt werden können.

Am Aufbau der Infrastruktur seien derzeit vor allem Unternehmen mit kommunaler oder wohnungswirtschaftlicher Beteiligung sowie Versorger interessiert, führte Ehrler aus. Tests liefen mit der Wohnungsgesellschaft degewo in der Berliner Gropiusstadt oder auf einem früheren Flugfeld zwischen Böblingen und Sindelfingen. Telcos könnten sich mit der Rolle des "Einen unter Mehreren" bei der Bereitstellung von Endkundendiensten auf einem gemeinsamen Netz schwerer arrangieren und wollten möglichst wenig von ihrer Wertschöpfungskette abgeben.

Insgesamt gibt es in Deutschland erst knapp zehn solche Projekte. Stefan Koetz vom Gropiusstadt-Partner Ericsson zeigte sich enttäuscht, "dass wir nach fünf Jahren nicht mehr Projekte aufsetzen können". Um die Kosten für den Glasfaserausbau zu schultern müssten noch stärker die vielbeschworenen Synergien beim Verlegen von Leitungen mit allen Versorgern genutzt werden. Rainer Wiggers vom Berliner Projektbeteiligten Vattenfall Europe Netcom hofft derweil auf viele Nachahmer: "Wir wollen Beispiele bieten, wie man an der Schnittstelle zwischen der öffentlichen Straße und dem Gebäude einen Übergabepunkt für die Glasfaser zur Verfügung stellt."

An den Erfolg des offenen Zugangs glaubt auch Wolf Osthaus, Regulierungsexperte bei 1&1 Internet. Das Modell biete ihm zufolge die Chance, die Netzkosten auf viele Schultern zu verteilen. Anbieter der grundlegenden Infrastruktur könnten damit eine Auslastung ihrer Leitungen von 60 Prozent oder mehr hinkriegen, was für die Wirtschaftlichkeit und die Preisgestaltung darauf aufbauender Zugangsdienste und Anwendungen entscheidend sei. Der "Wille zur Kooperation" entwickle sich auf allen Seiten, auch wenn zwischen den Netzbetreibern und Zugangs- oder Inhalteanbietern noch manche Lücke zu überbrücken sei. Da sei teils noch die Regulierung gefragt.

Iris Henseler-Unger von der Bundesnetzagentur schätzt die Lage ähnlich ein. Auch wenn die Regulierungsbehörde bei der Glasfaser ganz im Sinne der EU-Vorgaben nur eine Missbrauchsaufsicht ausübe, sei ein "Knüppel im Sack" bei der "offenen Diskussion am Runden Tisch" hilfreich. Die Netzagentur hat rund um das Thema "Next Generation Access" (NGA) ein Forum eingerichtet, um Verhandlungen über Co-Finanzierung, Interoperabilität und die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur voranzutreiben. In diesem Rahmen würden derzeit Kriterien für einzelne Produkte definiert, berichtete Henseler-Unger.

Nach den Vorstellungen des VATM soll das Modell auch beim neuen VDSL-Turbo mithilfe der sogenannten Vectoring- Technik zum Tragen kommen, die Störungen in den Kupferleitungen vermeiden helfen und so für höhere Übertragungsgeschwindigkeiten sorgen kann. Nachdem die Deutsche Telekom jüngst mit dem Einsatz des Netzbeschleunigers liebäugelte, stellte Eickers nun klar: "Vectoring ohne Open Access geht überhaupt nicht." (vbr)