Justizministerium macht neuen Anlauf zur Bekämpfung des Abmahnunwesens

Der überarbeitete Gesetzentwurf "gegen unseriöse Geschäftspraktiken" will den Streitwert bei Abmahnungen wegen einfacher Urheberrechtsverletzungen auf 1000 Euro senken. Zuvor waren 500 Euro vorgesehen.

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Das Bundesjustizministerium hat einen Kompromissvorschlag im koalitionsinternen Zwist um das Vorgehen gegen das Abmahnunwesen erarbeitet. Das Ressort bleibt bei seinem Ansatz, dass der Streitwert bei ersten Abmahnungen wegen einfacher Urheberrechtsverletzungen pauschal gesenkt und so die Anwaltskosten gleichfalls gedrückt werden sollen. Waren als Obergrenze für den Streitwert bislang 500 Euro im zu ändernden Paragraph 49 Gerichtskostengesetz vorgesehen, liegt diese im heise online vorliegenden neuen Referentenentwurf bei 1000 Euro.

Sollten Rechtsanwälte, einen Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch gegenüber dem Verletzer außergerichtlich geltend mach, laut der ersten Fassung des Justizressorts beim üblichen Satz einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr gemeinsam mit der Auslagenpauschale maximal nur noch 70,20 Euro ansetzen dürfen, könnten sie so nun 155,30 Euro verlangen. Im Vergleich zu Kostennoten in Höhe von mehreren hundert oder gar über tausend Euro, die Abmahnanwälte heute teils für den Versand größtenteils vorgefertigter Schreiben verlangen, wäre dies nach wie vor eine deutliche Gebührenreduzierung.

Voraussetzung für das Greifen der Klausel soll aber sein, dass der Betroffene geschützte Leistungen "nicht für gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit" verwendet hat. Eine Beschränkung dagegen, dass die Streitwertbegrenzung nicht für Handeln "im gewerblichen Ausmaß" gelten soll, enthält der Text entgegen einer Ankündigung des CDU-Politikers Günter Krings in der Süddeutschen Zeitung nicht. Nach Ansicht einiger Gerichte stellt das Anbieten von geschützten Inhalten in Tauschbörsen grundsätzlich ein Handeln "in gewerblichem Ausmaß" dar, sodass in diesem Fall die Regelung weitgehend ins Leere laufen würde. Dies ist jedoch bei der jetzigen Formulierung nicht der Fall.

Allerdings enthält auch der jetzige Entwurf eine möglicherweise ganz erhebliche Einschränkung der verbraucherfreundlichen Streitwertdeckelung. Danach gilt diese Grenze nicht, wenn sie "nach den besonderen Umständen des Einzelfalles sowie der Anzahl oder der Schwere der Rechtsverletzungen unbillig" ist. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte insoweit annehmen werden, dass dies bei Filesharing-Fälle immer der Fall ist – und damit auch diese Gesetzesänderung bei den Tauschbörsen-Massenabmahnungen nicht greift.

Voraussetzung für das Greifen der vom Justizministerium vorgesehenen Kostengrenze ist zudem weiter, dass der Betroffene nicht bereits wegen eines Anspruchs des Kläger durch einen Vertrag, eine Gerichtsentscheidung oder eine einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet sein darf, also etwa noch keine entsprechende Erklärung unterschrieben haben darf.

Von der Initiative unberührt bleiben sollen urheberrechtliche Schadensersatzansprüche und daraus resultierende finanzielle Belastungen für Ertappte. Wer unberechtigt abgemahnt wird, soll jedoch einen Gegenanspruch auf Ersatz seiner Rechtsverteidigungskosten erhalten. Damit will das Justizressort "Waffengleichheit zwischen Rechtsinhaber und vermeintlichem Rechtsverletzer" schaffen.

Der erste Anlauf von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) für ein entsprechendes Gesetz "gegen unseriöse Geschäftspraktiken" war aufgrund heftigen Widerstands aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht weit gekommen. Laut Günter Krings, Vizechef der Union, habe der ursprüngliche Vorschlag verkannt, "dass das geistige Eigentum im Internet mit Füßen getreten wird".

Mit dem neuen Ansatz kann der Christdemokrat nun leben. "Damit stellen wir sicher, dass einerseits Eltern und ihre Kinder vor überzogenen Abmahnkosten geschützt sind, dass aber andererseits das massenhafte Raubkopieren nicht in den Genuss dieses Privilegs kommt", betonte er gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Der FDP-Netzpolitiker Jimmy Schulz sprach ebenfalls von einem "Durchbruch gegen Abmahnabzocke".

An den anderen Teilen der Initiative, die nun Anfang Februar vom Bundeskabinett beschlossen und dann Bundesrat und Bundestag zugeleitet werden soll, hat das Justizministerium nichts Wesentliches geändert. Verträge über Gewinnspiel-Dienste sollen so künftig nur noch wirksam werden, wenn sie schriftlich – per Brief, Fax oder E-Mail – geschlossen wurden. Diese sogenannte Textformerfordernis dürfte zu einer Belastung der Wirtschaft in Höhe von rund 197.000 Euro pro Jahr führen, schätzt das federführende Ressort. Zudem dürfte die Bundesnetzagentur gegen Unternehmen, die unerwünschte Telefonwerbung betreiben, statt bislang 50.000 künftig 300.000 Euro an Bußgeldern verhängen.

Allgemein müssten Inkassofirmen künftig auf Anfrage detailliert angeben, wie sich ihre Forderungen und zusätzliche Gebühren zusammensetzen. Auch eine strengere Aufsicht über Geldeintreiber sowie höhere Bußgelder sind geplant. Eine Verschärfung sieht der Entwurf im Wettbewerbsrecht für den Fall vor, dass Webseiten-Betreiber Werbung auf ihren Seiten nicht oder zumindest nicht so ausweisen, wie es Paragraph 6 des Telemediengesetzes (TMG) vorschreibt. Ein Verstoß dagegen soll künftig zugleich auch einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb darstellen. (jk)