CDU-Innenpolitiker: Bundesmelderegister ist "alternativlos"

Die Front innerhalb der großen Koalition rund um die Einrichtung eines zentralen bundesweiten Melderegisters verhärtet sich: CDU-Berichterstatter Clemens Binninger hält die Megadatei für unerlässlich, die SPD zögert weiter.

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Innerhalb der großen Koalition verhärten sich die gegensätzlichen Standpunkte im Streit um die Einrichtung eines zentralen bundesweiten Melderegisters. Während sich die SPD nicht überzeugt von den Vorschlägen des Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble (CDU) zeigt, hat der CDU-Innenpolitiker das Zentralregister als "für uns alternativlos" bezeichnet. Die Megadatei sei nötig, schon allein, "um die Kommunen um rund 100 Millionen Euro pro Jahr zu entlasten", sagte der Clemens Binninger, Berichterstatter für Terrorbekämpfung, organisierte Kriminalität und Biometrie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Innenausschuss der "taz".

Heute sei jede der über 5000 Meldestellen eigenständig für die Datenorganisation verantwortlich, erläuterte Binninger die Haltung der Union. Das "birgt Risiken, und deshalb haben wir einen hohen Bestand an fehlerhaften Daten". Es könne etwa sein, dass jemand an viel mehr Orten gemeldet ist, als er sich tatsächlich aufhält. Auch Geburtsdatum oder Adresse könnten falsch sein. Mit einem Bundesmelderegister werde "schlicht die Qualität der Daten besser überprüfbar". Hintergrund dürften aber auch Probleme der Ermittlungsbehörden in Ländern wie Niedersachsen sein, wo es keine landesweiten Zentraldateien der Meldestellen gibt. Wollen die Fahnder hier nach Dienstschluss der Behörden Daten abfragen, müssen sie in jeder Kommune nach Angaben des Innenministeriums in Hannover erst quasi den Schlüssel fürs Einwohnermeldeamt verlangen.

Dass bundesweite Vorgaben für die Standardisierung der Datensätze die genannten Ziele ebenfalls und zudem datenschutzfreundlicher erreichen könnten, lässt der frühere Polizeikommissar nicht als Gegenvorschlag gelten. Seiner Ansicht nach "ist dem Datenschutz mehr geholfen", wenn mit dem Bundesmelderegister die Qualität der Meldeinformationen zu verbessern sei. Einen privaten Zugriff auf die Zentraldatei schloss er aus.

Die jüngste große Panne bei Meldestellen in Brandenburg und anderen Bundesländern ist für Binninger zudem keine Warnung vor einer bundesweiten Datenbank und kein Anlass, "auf bedrucktes Papier umzusteigen". Das Verfahren müsse eher so weiterentwickelt werden, dass so etwas nicht wieder vorkommt. Ein Stehenbleiben komme auch eher einem "Rückschritt für den Datenschutz" gleich.

Zu den kritischen Stimmen aus der Opposition hat sich derweil auch die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gesellt. "Herr Schäuble ist beim Umgang mit personenbezogenen Daten außer Rand und Band", fürchtet die FDP-Bundestagsabgeordnete. Sie warnt wie Datenschützer vor dem "Einstieg in eine einheitliche Nummerierung der Bevölkerung". Künftig könnten mit der zentralen Meldedatei etwa die Daten aus dem gerade von Bundeskabinett beschlossenen elektronischen Einkommensnachweis (ELENA) oder der elektronischen Gesundheitskarte verknüpft werden. "Wenn der Bürger dann nicht gläsern ist, wann dann?", fragt die Rechtsexpertin der Liberalen im Parlament. Würden die Bürgerdaten missbraucht, "wäre die Total-Überwachung perfekt".

Einzelheiten zu dem im Vergleich zum Frühjahr noch einmal überarbeiteten Referentenentwurf aus dem Hause Schäuble führt die "Süddeutsche Zeitung" auf. Demnach müssten alle Meldebehörden künftig eine Liste von etwa 30 Angaben an das Bundesmelderegister übermitteln, darunter aktuelle und frühere Adressen, die Religionszugehörigkeit und die Angabe, ob jemand einen Waffenschein besitzt. Ebenso sollen Staatsangehörigkeiten, Passnummern und Steuerklassen aufgenommen werden. Die noch in den Geburtswehen steckende einheitliche Steuer-Identifikationsnummer will das Innenministerium gleichfalls einfließen lassen, auch wenn sie nur verschlüsselt gespeichert werden dürfte. Auf die Daten sollen alle Meldeämter sowie zahlreiche Behörden Zugriff erhalten, darunter Polizei, Justizvollzugsbehörden, die Zollfahndung, Rettungsdienste und Katastrophenschützer.

Jeder Bürger werde überdies den Plänen zufolge eine eigene Nummer erhalten, die allerdings nur zwischen Bundesregister und Meldebehörden eingesetzt werden dürfte. Datenschützer hatten wiederholt davor gewarnt, dass auf diesem Weg eine nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringende Personenkennziffer etabliert würde. Damit könnten alle Daten leicht zusammengeführt und Grundsätze wie die Zweckbindung ausgehebelt werden. Stefan Krempl/ (gr)