Bundesregierung will WLAN-Störerhaftung den Gerichten überlassen

Nach Auffassung des Wirtschaftsministeriums ist eine gesetzliche Beschränkung des Haftungsrisikos für die Betreiber offener Funknetze nicht erforderlich. Die Rechtsprechung sei klar genug.

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Die Bundesregierung hält eine gesetzliche Beschränkung des Haftungsrisikos von Betreibern offener Funknetze "weder für geeignet noch für erforderlich". Das geht aus einer Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums auf einen Vorstoß des Bundesrats hervor, die heise online vorliegt. Die Haftung ist nach Ansicht der Bundesregierung bereits von der Rechtsprechung auf "klare umgrenzte Sachverhalte" eingegrenzt worden. Die aktuelle Gesetzeslage stehe dem Angebot von WLAN-Anschlüssen zur Nutzung durch Dritte nicht entgegen.

Der Bundesrat hatte die Bundesregierung im Oktober 2012 aufgefordert, eine gesetzliche Einschränkung der sogenannten Störerhaftung für WLAN-Anbieter zu prüfen, weil Betreiber oder Nutzer von Hotspots zunehmend abgemahnt würden. Die dabei unangemessen hoch angesetzten Streitwerte könnten existenzgefährdend sein. Der Bundesrat wünscht sich klare gesetzliche Vorgaben, welche technischen Vorkehrungen Betreiber öffentlicher Netze gegen Missbrauch treffen müssten, um das Haftungs- und Abmahnrisiko auszuschließen. So könne etwa das Haftungsprivileg der Zugangsprovider aus dem Telemediengesetz (TMG) auf WLAN-Betreiber ausgedehnt werden.

Das Bundeswirtschaftsministerium verweist dagegen auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Störerhaftung nicht-gewerblicher Hotspot-Anbietern. Demnach können Privatpersonen zwar auf Unterlassung, nicht jedoch auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Betreiber eines privat genutzten drahtlosen Netzes unterliegen nach Auffassung der Regierung damit "keinen unzumutbaren Haftungsrisiken".

Auch für den gewerblichen Betrieb von WLAN-Zugangspunkten besteht nach Ansicht der Regierung ausreichende Rechtssicherheit. Die Schadensersatzpflicht und strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Anbieters für Rechtsverletzungen seiner Kunden werde durch das Haftungsprivileg für Provider im TMG bereits ausgeschlossen. Die weite Bestimmung des Begriffs "Diensteanbieter" in der einschlägigen Bestimmung ermögliche es nämlich schon grundsätzlich, diese auf einen WLAN-Betreiber auszudehnen. Die Regierung verweist ferner darauf, dass Betreiber als Anbieter eines Telekommunikationsdienstes das Fernmeldegeheimnis wahren müssten, was die zumutbaren Prüfpflichten ebenfalls begrenze.

Zwar habe der BGH die Frage der Störerhaftung bei einem gewerblichen oder öffentlichen drahtlosen Netz noch nicht entschieden, räumt das Wirtschaftsressort ein. Es sei aber davon auszugehen, dass die Rechtsprechung diese Fragen "praxisgerecht entwickeln und hierbei einen Interessenausgleich zwischen WLAN-Betreibern und den durch Rechtsverletzungen Betroffenen vornehmen wird." Dieser werde sicher auch das allgemeine Interesse an der Verfügbarkeit öffentlicher Hotspots berücksichtigen, da der BGH bereits die Möglichkeit der Gefährdung eines Geschäftsmodells geprüft habe.

Erste Anhaltspunkte für die künftige Entwicklung der Störerhaftung in diesem Bereich bietet dem Papier zufolge ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Frankfurt. Dieses habe eine entsprechende Inanspruchnahme eines Hotelbetreibers abgelehnt, da dieser seine Gäste vor der Nutzung des verschlüsselten WLANs auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben hingewiesen habe. Bereits erkennbar sei zudem eine "Tendenz" beim BGH, die störerhaftungsrechtlichen Prüfpflichten gewerblicher Internetanbieter zu begrenzen.

Unabhängig von diesen Betrachtungen würden WLAN-Anschlussinhaber in der Praxis vielfach mit Abmahnschreiben überzogen, schließt sich die Regierung zumindest in einem Teil den Sorgen der Länder an. Diese erfolgten insbesondere gegenüber gewerblichen Anbietern in sehr vielen Fällen unberechtigt. Das damit verbundene Abmahnrisiko wolle das Kabinett aber bereits mit ihrem gerade verabschiedeten Gesetzentwurf gegen unseriöse Geschäftspraktiken verringern. Dieser sehe in den meisten der beschriebenen Situationen einen Anspruch auf Ersatz von Rechtskosten vor.

Björn Böhning (SPD), Chef der Berliner Senatskanzlei, stellt die Erwiderung nicht zufrieden. Er spricht von einer "verantwortungslosen" Haltung und einem Rückschlag für alle Initiativen offener und kostenfreier WLAN-Infrastrukturen. Das Land Berlin, das in diesem Jahr ein Netz mit kostenlosen drahtlosen Zugangspunkten an zentralen Stellen gemeinsam mit privaten Betreibern aufziehen möchte, überlegt nun, eine eigene einschlägige Gesetzesinitiative über den Bundesrat zu starten. Auch der Bundestag brütet derzeit über Anträge der Opposition zu diesem Thema. (jk)