Digitaler Musikmarkt in Deutschland wächst rasant

Obwohl der digitale Musikmarkt hierzulande im vergangenen Jahr um 19,3 Prozent zulegte, ging der Gesamtumsatz der Branche noch einmal um 3,2 Prozent auf 1,44 Milliarden Euro zurück. Die Labels sehen trotzdem eine Trendwende.

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Die deutsche Musikwirtschaft lebt weiter vom Prinzip Hoffnung. "Wir haben es nicht geschafft, mit einer schwarzen Null rauszugehen", erklärte Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI), zur Präsentation der Jahreszahlen 2012 (PDF-Datei) der Plattenfirmen am Dienstag in Berlin. Dies sei unter anderem "einem schwachem letzten Quartal geschuldet", worüber die Labels "noch nachdenken" müssten. Dazu kommt ein erneuter Rückgang im physischen Geschäft um 7,7 Prozent, während der digitale Musikmarkt im vergangenen Jahr um 19,3 Prozent auf 294 Millionen Euro zulegte und jetzt 20,5 Prozent der Gesamteinnahmen ausmacht.

Dieter Gorny (l.), Florian Drücke

(Bild: Stefan Krempl)

Drücke sprach von einer "Markstabilisierung mit leichtem Dämpfer" im Gegensatz zum positiveren internationalen Trend. BVMI-Präsident Dieter Gorny sah eine "Trendwende erreicht", die Musikindustrie befinde sich "im Aufbruch". "Wir sind in einem Übergangsszenario, bei dem wir noch nicht genau wissen, wie wir am anderen Ufer ankommen mit unseren Kulturgütern", meinte der frühere Viva-Chef. Insgesamt müssten die Inhaltemacher und ihre Belange noch weiter ins öffentliche Bewusstsein gelangen.

Den Löwenanteil erwirtschaften die Plattenfirmen nach wie vor mit physischen Produkten, im vergangenen Jahr 1,14 Milliarden. Die CD bezeichnete Drücke als "die Stütze" des Geschäfts mit einem Anteil von 70,8 Prozent und einer Milliarde Umsatz. Hier liege das Minus bei 7,2 Prozent, während die DVD 17,6 Prozent weniger eingefahren habe. Die Vinylscheibe habe um 40 Prozent zugenommen, mit 19 Millionen Euro Umsatz stelle sie aber einen "netten Nischenmarkt" dar.

Das Album bleibt laut Drücke "die zentrale Währung" mit 112 Millionen verkauften Einheiten bei einem Rückgang um 1,4 Prozent. Jedes sechste Album werde digital heruntergeladen, was 55 Prozent der Downloadumsätze ausmache. Streaming weise im Internet die höchsten Zuwachsraten mit 38,7 Prozent auf 36 Millionen Euro Umsatz auf, auch wenn der Anteil am Gesamtanteil damit noch bei beschaulichen 2,5 Prozent liege. Hierzulande gebe es in diesem Sektor 19 Dienste wie Napster oder Spotify, er habe ein "erhebliches Potenzial" und gewinne auch bei der Hördauer.

Insgesamt sei der digitale Musikmarkt erwachsen geworden, konstatierte der BVMI-Geschäftsführer. Es gebe 68 legale Angebote im deutschen Markt, sodass "jeder User das findet, was zu ihm passt". Es gebe so "keine Ausreden" mehr, sich rechtswidrig im Netz Musik zu besorgen. Für "besiegelt" erklärte Drücke den Markt für Klingeltöne, der um 70,4 Prozent auf 2 Millionen Euro zurückgegangen ist.

Gorny sieht die Branche insbesondere dabei ausgebremst, ihre Rechte durch die Politik durchzusetzen. Umfangreichen Nachbesserungsbedarf haben die Labels etwa beim Regierungsentwurf gegen den Abmahnmissbrauch angemahnt. Die Politik habe immer noch große Probleme, das Thema Rechtsdurchsetzung "sachlich anzugehen", monierte Gorny. Auch das "große Wechselspiel" mit dem 3. Korb der Urheberrechtsreform habe Schwarz-Gelb "vergeblich angekündigt".

Ein Bein gestellt hat der Gesetzgeber der Branche laut dem BVMI-Chef mit dem 2. Korb, wonach sie über die Höhe und die Verteilung der Leermedien auferlegten Vergütungspauschale für Privatkopien mit den Geräteherstellern verhandeln müsse. So lagerten "gigantische Summen" bei den IT-Produzenten, über deren Ausgabe letztlich wohl die Gerichte entscheiden müssten. Bis dahin stünden sie den Künstlern aber nicht zur Verfügung. Auch bei den Gesprächen zwischen der Musikverwertungsgesellschaft GEMA und YouTube mahnte Gorny, möglichst rasch eine Einigung zu erzielen: "Je schneller etwas legal in die Märkte kommt, desto schneller kann es sich auch entwickeln."

Vergangene Woche hatte sich Gorny bereits auf der ersten "Kulturkonferenz" der Branchenvereinigung für einen "Digital New Deal" stark gemacht. Er hält es für nötig, "die Kreativwirtschaft als Teil der Digital Economy zu denken und faire Spielregeln für faires Wirtschaften im Netz zu etablieren". Alle Akteure im digitalen Raum müssten an einem Strang ziehen, die Kultur- und Kreativbranchen, die Internetwirtschaft, die Werbeindustrie, Anbieter von Bezahlsystemen und die Politik, die zwischen den Beteiligten mit mehr Nachdruck als bisher "moderieren" solle. (anw)