Urheberrecht: Bundestag streitet über Anti-Abzock-Gesetz

Die Opposition hat bei der 1. Lesung des Gesetzentwurfs gegen "unseriöse Geschäftspraktiken" Nachbesserungen an der Regierungsvorlage gefordert, um Verbraucher besser vor Abmahnmissbrauch zu schützen.

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Die Opposition hat bei der 1. Lesung des Gesetzentwurfs gegen "unseriöse Geschäftspraktiken" im Bundestag Nachbesserungen an der Vorlage der Bundesregierung gefordert, um Verbraucher besser vor Abmahnmissbrauch zu schützen. Die Initiative sieht vor, den Streitwert bei ersten Abmahnungen wegen einfacher Urheberrechtsverletzungen im privaten Umfeld pauschal auf 1000 Euro zu senken. Die dafür zu erhebenden Anwaltskosten sollen so 155,30 Euro betragen. Besonders umstritten war bei der Aussprache am Donnerstagabend die Einschränkung, dass es von "besonderen Umständen des Einzelfalles" abhängig gemacht werden darf, ob die Deckelung greift.

Eine solche "Ausnahme aus Billigkeitsgründen" sei nicht nachzuvollziehen, betonte Marianne Schieder von der SPD-Fraktion. Die Klausel öffne wieder "Tür und Tor für Missbrauch". Die Sozialdemokratin warf zudem die Frage auf, warum beim Vertragsabschluss während unerlaubten Werbeanrufen nicht generell eine schriftliche Bestätigung verlangt werde. Der Regierungsentwurf sieht dies nur bei Gewinnspielverträgen vor. Insgesamt wunderte sich Schnieder, dass das Papier schon "seit einem Jahr in den Schubladen liegt". Die Koalition habe mit ihrer Untätigkeit die Abmahnindustrie weiter erblühen lassen.

"Wir haben Gesprächs- und Beratungsbedarf zu diesem Gesetz", ergänzte Schieders Fraktionskollegin Kerstin Tack, da die bisherige Praxis einen "Wahnsinnsangriff auf den Geldbeutel" der Verbraucher darstelle. Im Inkassobereich fehle es generell an einer echten Aufsicht. Zugleich sei sie in Datenschutzfragen enttäuscht, da das federführende Justizministerium die Anforderung der aktiven Einwilligung in eine Informationsweitergabe durch Unternehmen aus dem Vorstoß gestrichen habe.

Im Dauerstreit der Koalition "sind viele Forderungen verwässert oder verschlimmbessert worden", monierte auch die Linke Caren Lay. Dies zeige deutlich, dass die Regierung beim Verbraucherschutz "nicht wirklich aus dem Knick kommt". Das Vorgehen gegen das Abmahnunwesen im Urheberrechtsbereich sei "nicht scharf genug". Ihre Fraktion plädiere dafür, den Streitwert auf den tatsächlich entstandenen und nachweisbaren Schaden zu begrenzen.

Jerzy Montag von den Grünen machte als Geburtsstunde des Missbrauchs das Gesetz zum Auskunftsanspruch gegen Provider aus. Dieses habe nicht ausreichend klar gemacht, dass eine Enttarnung der Identitäten von Internetnutzern und damit ermöglichte Abmahnungen nur möglich sein dürften, wenn auch der Rechtsverletzer im geschäftlichen Verkehr gehandelt habe. Diese Beschränkung führe eine einschlägige eigene Initiative der Grünen wieder ein. Die Regierung trage den Bürgern mit ihrem Papier dagegen nur "weiße Salbe" vor, da es nichts zum Absenken der Anwaltsgebühren beitragen werde.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger räumte ein, dass die ursprünglich vom Gesetzgeber eingeführte 100-Euro-Deckelung "ihre Wirkung in keiner Weise entfaltet hat". Die neue Klausel wird nach Ansicht der FDP-Politikerin aber "die Masse der Fälle betreffen". Besondere Umstände, die dagegen sprächen, müssten vom Abmahner schlüssig dargelegt werden, nicht mehr vom Abgemahnten. Insofern werde ein "Paradigmenwechsel" im Urheberrecht erreicht.

Für die CDU/CSU-Fraktion unterstrich Thomas Silberhorn, dass Abmahnungen ein "probates Mittel" und Urheberrechtsverletzungen im gleichen Maße wie bisher verfolgbar blieben. Das Internet sei schließlich kein rechtsfreier Raum. Es dürfe aber nicht angehen, dass derzeit selbst bei geringsten Verstößen oft vierstellige Streitwerte angesetzt würden. Noch geklärt werden müsse in den Ausschussberatungen, was genau unter einer Urheberrechtssache zu verstehen sei, in der die Kostenbremse nicht greife. Es mache einen Unterschied, ob jemand einmal ein Musikstück heruntergeladen habe oder dies täglich mehrfach tue, fügte der CDU-Politiker Ansgar Heveling an. Insgesamt wolle die Koalition aber "systematischen Abmahnungen" ein Stoppschild vorhalten, da diese viele Familien ungebührlich belasteten. (jk)