re:publica: 3D-Drucker als Sinnbild einer neuen industriellen Revolution

Experten waren sich auf der Internetkonferenz einig, dass es sich bei derzeit für den Heimbereich erschwinglichen 3D-Druckern um "Spielzeuge für den Eigengebrauch" handele. Sie stünden aber für den Beginn einer dezentraleren Produktion.

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Experten waren sich auf der re:publica einig, dass es sich bei derzeit für den Heimbereich erschwinglichen 3D-Druckern wie Geräten von MakerBot, Fabbster oder Ultimaker um "Spielzeuge für den Eigengebrauch" handele. Sie lieferten nicht die Qualität, "die man von gekauften Waren gewohnt ist", erklärte Marlene Vogel, Mitgründerin des Startups Trinckle, am Mittwoch in Berlin. Noch bestehe eine große qualitative und preisliche Kluft zwischen derlei Apparaten und professionellen Maschinen fürs Rapid Manufacturing. Beide Seiten bewegten sich aber aufeinander zu: Die Heimdrucker würden besser, die Profi-Geräte günstiger.

Peter Troxler, Marlene Vogel und Philip Steffan (v.l.)

(Bild: Stefan Krempl)

"Prosumer", die Güter nicht nur verbrauchen, sondern auch selbst produzieren wollen, seien mit den derzeit verfügbaren 3D-Druckern durchaus in der Lage, selbst Dinge zu erschaffen, ergänzte Peter Troxler, Forscher am Institut für angewandte Wissenschaften an der Universität Rotterdam. Der Verbrauchermarkt sei erreicht. Geräte, die anhand von CAD-Konstruktionsdaten schichtweise Gegenstände quasi aus dem Nichts fertigen, seien aber bereits rund 25 Jahre alt. Die Kosten auch für das benötigte Material sowie der erforderliche Zeitaufwand hätten die Anwendungen bisher auf Rapid Prototyping begrenzt. Produziert würden damit vor allem künstlerische Objekte oder im Gesundheitswesen individuell angepasste Prothesen und Implantate.

Für Troxler stehen 3D-Drucker trotzdem sinnbildlich genauso für die vielbeschworene neue industrielle Revolution, wie zuvor die Druckerpresse, die Dampfmaschine oder das Fließband. Es gehe weniger um die Geräte selbst als vielmehr die Verlagerung hin zu einer dezentralen, weniger hierarchisch strukturierten Produktion. Diese bringe "mehr Macht für den Endkunden" mit sich. Seine Stärke entfalten werde der 3D-Druck vor allem dort, wo individualisierte Güter gefragt seien. Mit Skaleneffekten aus der Massenproduktion sei in diesem Sektor naturgemäß nicht zu rechnen.

Die jetzige Gerätegeneration für den Hausgebrauch könnte laut Troxler zunächst zur Geburt einer neuen Ästhetik führen. So wie die frühen, etwa in Mobiltelefone eingebauten digitalen Kameras Wackelvideos hip gemacht hätten, könnten mit 3D-Druckern glatte und glitzernde Oberflächen an Bedeutung verlieren und stattdessen kantige und raue an Wertschätzung gewinnen.

Vogel hob die mit den Rapid-Techniken einhergehende Möglichkeit hervor, Ideen selbst zu verwirklichen. Andererseits stelle das Marktplatzmodell von Trinckle auch darauf ab, an Individualanfertigungen interessierte Kunden mit Designern zusammenzubringen. So könnten erstere den Profi-Schöpfern ihre Vorstellungen vermitteln oder Sonderwünsche für die Ergänzung von Produkten anmelden, die massenhaft gefertigt würden. Sicher werde nicht auf Knopfdruck ein Handy aus einem einschlägigen Fertigungsgerät "herausfallen". Einfach werde es dagegen, einzelne Teile zu produzieren wie etwa spezielle Lampenschirme.

Nicht unerwähnt blieben neue Waffen im Eigenbau aus 3D-Druckern mit dem Liberator-Projekt. Mit jeder neuen Technik könne man Sachen machen, die nicht von der Allgemeinheit gewünscht werden, kommentierte Vogel die Entwicklung. In die laufende Produktion einer Pistole müsse aber viel Energie hineingesteckt werden. Da sei es einfacher, sich im nächsten Baumarkt eine Axt zu kaufen. Zudem könne der Liberator derzeit offenbar nur einen Schuss abfeuern und die Gefahr, dass einem die Waffe um die Ohren fliege, sei groß. "Schnellkochtöpfe oder Flugzeuge sind mindestens genauso gefährlich", meinte Troxler. Das Problem gelöst werden könne nur, indem man an einer Gesellschaft arbeite, in der die Verwendung von Waffen als unnötig empfunden werde.

Zur Sprache kam auch das Phänomen, dass Vorlagen für 3D-Objekte einfach kopiert werden könne und The Pirate Bay bereits eine gesonderte Kategorie für den "Tausch" von Modellen eingerichtet hat. Die Frage, was ein Design wert sei, müsse noch geklärt werden, befand Vogel. Troxler gab zu bedenken, dass der gewerbliche Schutz einer Erfindung oder eines Modells eine vergleichsweise langwierige und kostspielige Option unter vielen sei. Viele Designer setzten daher darauf, ihre Entwicklungen entweder geheim zu halten oder möglichst schnell zu vermarkten. Das Problem illegaler Kopien könne im Manufakturbereich daher weniger groß ausfallen als derzeit teils befürchtet. (anw)