Verbraucherschützer: Das Urheberrecht muss zum TÜV

Der baden-württembergische Verbraucherminister Alexander Bonde und der Bundesverband der Verbraucherzentralen setzen sich für ein "Urheberrecht 2.0" ein, das die Privatkopie als "unabdingbares Nutzerrecht" verankern soll.

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Der baden-württembergische Verbraucherminister Alexander Bonde und der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) wollen die Privatkopie als "unabdingbares Nutzerrecht" verankern. Das Urheberrecht dürfe künftig nicht durch technischen Kopierschutz oder Vertragsbedingungen "eingeschränkt, umgangen oder ausgeschlossen werden können", schreiben die beiden Partner in einem am Donnerstag in Berlin vorgestellten Positionspapier. Anbieter dürften die Verbraucher etwa nicht mehr weiter zwingen, einen Film oder ein Musikstück nur auf einem Gerät zu nutzen.

vzbv-Vorstand Gerd Billen führte aus, da Urheber mit Verbrauchern Geschäfte machen wollten, bringe es nichts, mit einem "zivilen Polizeistaat" mit Massenabmahnungen Rechte durchsetzen zu wollen. Die Verbraucherzentralen wollen über ihre Bildungseinrichtungen stärker vermitteln, dass Künstler etwas Wertvolles schaffen. Billen betonte: "Es gibt kein Grundrecht, sich das kostenlos unter den Nagel zu reißen."

Private Nutzungen zu Kommunikationszwecken wie geschützte Inhalte in sozialen Netzwerken zu posten oder teilen solle generell erlaubt werden, heißt es weiter in dem Positionspapier. Die Verbraucher sollen "umfassende Rechte an digitalen Gütern" bekommen, also beispielsweise E-Books weiterverkaufen können. Die Verbraucherschützer wollen zudem der "Kreativität der Masse" Remixe, Mashups oder Collagen zum Durchbruch verhelfen. Um das Urheberrecht verständlicher zu machen, sprach sich Billen für ein "einfaches Preisschild" für digitale Güter mit klaren Nutzungsbedingungen aus.

Es sei gerade im Interesse der Kreativen, "dass das Urheberrecht auf Verständnis stößt", erläuterte Bonde. Derzeit bekämen die Verbraucher vor Augen geführt, dass die bisherigen Regeln zum Kopieren nicht mehr auf die digitale Welt passten. "Das Urheberrecht muss zum TÜV", meine der Grüne. Es könne heute nur noch mit dem Web 2.0 funktionieren. Die derzeit vom Bundestag beratene "Anti-Abzock-Regelung" gegen den Abmahnmissbrauch reiche dabei nicht aus, vielmehr müsse letztlich auch der EU-Rechtsrahmen geändert werden.

Das Urheberrecht sei für gewerbliche Vervielfältigungen durch professionelle kleine Gruppen geschaffen worden, nicht für private Nutzer, kommentierte Till Kreutzer von der Kanzlei iRights.law. Es reiche daher nicht aus, Gesetze vereinfachen zu wollen. Vielmehr dürfe der Konsument vom Urheberrecht überhaupt nicht mehr berührt werden, am besten, indem pauschale Vergütungssysteme ausgeweitet werden.

Gewisse kulturelle Praktiken müssten aus dem Urheberrecht herausgenommen werden, sonst verliert es an Akzeptanz, meint Netzpolitik-Blogger Markus Beckedahl. In den vergangenen zehn Jahren sei die Rechtsdurchsetzung dagegen nur ständig "radikalisiert" worden. Der Gesetzgeber habe das Urheberrecht "unnötig aufgebläht" und ihm dem Charakter eines reinen Verwerterrechts verliehen, hieb Meik Michalke von der Cultural Commons Collecting Society (C3S) in die gleiche Kerbe. Die neue Verwertungsgesellschaft wolle daher die Tür aufstoßen für eine Kulturwirtschaft, "in der Urheber und Verbraucher auf Augenhöhe sind". Es gehe um die Basis für Märkte, "die mit den neuen partizipativen Strukturen des Internets Schritt halten".

"Die Masse ist nicht kreativ", zeichnete Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, sein Kernproblem mit der Initiative der Verbraucherschützer auf. Kunst entstehe nicht "im Schwarm", sondern sei immer die Leistung eines Einzelnen. Urheber wollten es nicht, dass ihre Werke beschädigt oder in neue, von ihnen nicht beeinflussbare Umgebungen gestellt würden. "Bei Abmahnungen können wir uns schnell einigen", verwies Zimmermann auch auf Gemeinsamkeiten. Es bringe nichts, die eigenen potenziellen Kunden zu verklagen.

Die von Kreutzer ins Spiel gebrachten Pauschalmodelle lobte Zimmermann als "sehr sinnvollen Weg". Dieser könne aber nur erfolgreich beschritten werden, wenn die Politik den Urheber wieder auf Augenhöhe mit den Geräteherstellern bringe, wenn es darum geht, Vergütungshöhen zu verhandeln. Lange Zeit legte der Staat die Sätze fest. Erst seit Inkrafttreten des 2. Korbs der Urheberrechtsreform sollen diese Industrie und Verwertungsgesellschaften selbst vereinbaren, was bisher aber vor allem zu langen Gerichtsverfahren geführt hat. (anw)