Rechteinhaber legen Forderungspapier für Anti-Piraterieabkommen ACTA vor

In einem Schreiben an die Verhandlungsnationen des geplanten "Anti-Counterfeiting Trade Agreement" (ACTA) pochen Rechtehalter etwa auf die Befugnis für Zollbehörden, gefälschte Produkte gleich an der Grenze zu beschlagnahmen.

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In einem Schreiben an die Verhandlungsnationen des geplanten internationalen Abkommens zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie pochen Verbände der Rechteinhaber unter anderem auf die Befugnis für Zollbehörden, gefälschte Waren gleich an der Grenze zu beschlagnahmen. Die Behörden sollen zudem alle geeigneten Schritte unternehmen, dass Kopien und Fälschungen zerstört, aus den Handelswegen entfernt oder mit der Zustimmung der Rechtehalter entsorgt werden. Das geht aus einem Forderungspapier für das umstrittene "Anti-Counterfeiting Trade Agreement" (ACTA) hervor, das auf der Whistleblower-Plattform Wikileaks aufgetaucht ist. Es wird Organisationen der Rechteinhaber zugeschrieben und ist auf die aktuelle, noch bis zum morgigen Donnerstag laufende Verhandlungsrunde in Washington ausgerichtet. Frühere Unterlagen zu den ACTA-Verhandlungen hatten bereits zu Befürchtungen geführt, dass das Abkommen darauf ziele, private iPods oder Laptops an der Grenze nach möglicherweise raubkopiertem Material zu durchsuchen. Dies hatten EU-Parlamentarier aber bereits als unebgründet bezeichnet.

Generell sollen dem Dokument nach die Grenzkontrollen zur Suche nach gefälschten Waren deutlich verschärft werden. Nach den vorgeschlagenen Regelungen seien auch zollfreie Zonen besser im Auge zu behalten. Sollten die Behörden bei übersandten Artikeln fündig werden, seien sie anzuhalten, die Rechtehalter über die Namen und Adressen von Absendern, Zielen, Importeuren und Exporteuren zu informieren. Darüber hinaus fordern die Verbände einen Zugang zu Dokumenten, die für private Nachforschungen oder die Beschreitung des Klagewegs hilfreich sein könnten. Den Rechteinhabern soll dabei mindestens 20 Geschäfts- oder 31 Kalendertage nach einer Beschlagnahme Zeit gegeben werden, die aufgeflogene Ware zu untersuchen und ihre Untersuchungen durchzuführen.

Weiter wünschen die Verbände, dass sich die Regierungen im Rahmen von ACTA auf eine Reihe von Mindestregelungen für die zivilrechtliche Durchsetzung der verletzten geistigen Eigentumsrechte einigen. So sollen sie etwa Kalkulationsmethoden entwickeln, die zu angemessenen Schadensersatzforderungen führen. Dies sei nötig, um die Abschreckungswirkungen bereits bestehender Strafen zu erhöhen. Sollten Betroffene zahlungsunwillig sein, müssten dem scharfe Sanktionsmöglichkeiten entgegenstehen. Für die Berechnung der Ausgleichszahlungen wollen die Rechtehalter Informationen oder schon im Vorfeld Summen vorschlagen. Ferner soll es den Rechteinhabern offen stehen, anfallende Gebühren etwa für Anwälte zurückverlangen zu dürfen.

Für die Behörden verlangen die Verbände zudem die Befugnis, gegebenenfalls auch Hilfswerkzeuge zur Herstellung oder Verpackung der Fälschungen sowie dazu verwendete Materialien gemeinsam mit anderen physikalischen oder finanziellen Gütern der Rechtsverletzer zu beschlagnahmen. Ähnliche Forderungen sind auch bereits im Rahmen der Weltzollorganisation (WZO) auf den Tisch gekommen. In dieser Runde verhandeln 171 Staaten ebenfalls über ein Abkommen zum besseren internationalen Schutz von Immaterialgüterrechten an den Grenzen, doch Entwicklungsländer haben das Vorhaben zur Bekämpfung der Produktpiraterie unter Beschuss genommen.

An den Gesprächen über ACTA sind derzeit die EU, die USA, Japan, die Schweiz und einige andere große Industrienationen wie Kanada beteiligt. Auch im Rahmen der G8-Staaten fand das Projekt bereits Erwähnung. Demnach soll das Abkommen bis Ende des Jahres stehen. Die EU und die USA verfolgen derweil parallel auch eigene Wege, um die Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte zu verbessern und der Markenpiraterie dabei effizient zu begegnen.

In Kanada kritisiert der Internetforscher Michael Geist unterdessen die Zusammensetzung einer Beratungsgruppe der dortigen Regierung rund um ACTA . Laut Dokumenten, die über das kanadische Informationsfreiheitsgesetz öffentlich geworden seien, waren für das Gremium anfangs allein 12 Regierungsstellen und 14 Lobbyvereinigungen der Industrie vorgesehen. Darunter befanden sich etwa die kanadische Verbände der Musik- und Filmwirtschaft sowie die Vereinigung der Unterhaltungssoftwareproduzenten. Telekommunikationsunternehmen und Internetprovider sollten außen vor bleiben, obwohl es bei ACTA auch um das Aufsetzen von Verfahren gehen soll, wie die Zugangsanbieter zum Internet in das Vorgehen gegen Urheberrechtsverletzer eingespannt werden können. Genauso absent auf der Liste seien Bürgerrechtsorganisationen gewesen. Daneben sei zwar eine öffentliche Anhörung durchgeführt worden, die aber weniger transparent gewesen sei als etwa in den USA oder in der EU.

Zum Anti-Counterfeit Trade Agreement (ACTA) siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)