EU-Ombudsmann im Streit über Anti-Piraterieabkommen eingeschaltet

Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) hat dem EU-Rat vorgeworfen, den Zugang zu Verhandlungsdokumenten über das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) bewusst zu verhindern.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 26 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) hat dem EU-Rat vorgeworfen, den Zugang zu Verhandlungsdokumenten über das umstrittene Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) bewusst zu verhindern. Die Mittelstandsvereinigung hat daher nach eigenen Angaben jetzt eine Beschwerde (PDF-Datei) beim EU-Ombudsmann gegen das Gremium der Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten in Brüssel eingereicht. Sie wirft dem Rat vor, gegen EU-Vorgaben zum öffentlichen Zugang zu Verwaltungspapieren zu verstoßen, und drängt auf eine unverzügliche Veröffentlichung von Ratsdokumenten über die bisherigen Verhandlungen und Entwürfe rund um das geplante Anti-Piraterieabkommen.

Der FFII hatte bereits im November die Herausgabe der Ratspapiere zum Status quo beim ACTA gefordert. Das Ministergremium stellte sich aber rasch quer mit der Begründung, dass eine Enthüllung des Materials die Gespräche führender Industrienationen nebst der EU stören, die Position Brüssels schwächen und die Beziehungen zu Drittparteien negativ beeinflussen könnte.

Auch nach einer weiteren, noch keinen Durchbruch erzielenden Gesprächsrunde Mitte Dezember in Paris üben sich die Verhandlungspartner in Geheimniskrämerei. Laut einer Notiz in einer Präsentation (Powerpoint-Datei) der neuseeländischen Regierung soll erst der endgültige Entwurf öffentlich gemacht werden, wenn er bereits unterschriftsreif ist. Änderungen aufgrund von Eingaben der Zivilgesellschaft wären dann freilich kaum mehr möglich. Eine derartige Zusage zur Geheimhaltung ist bei Verträgen, die letztlich gesetzesähnliche Kraft entfalten könnten, nach Ansicht des FFII nicht mit den EU-Anforderungen an Transparenz zu vereinbaren.

Bürgerrechtsorganisationen dies- und jenseits des Atlantiks sind seit Langem auf Basis früher ins Internet entfleuchter ACTA-Entwürfe besorgt, dass das von den USA und der EU vorangetriebene Vorhaben den Zugang zu Arzneimitteln und zum Internet einschränken, Rechteinhaber generell bevorzugen sowie "Patent-Trollen" freie Hand geben und somit innovative Wirtschaftsbereiche gefährden könnte. Das EU-Parlament forderte daher in einer Resolution im Dezember nicht nur mehr Transparenz bei den Absprachen. Es verlangt auch, die Auswirkungen der potenziellen Maßnahmen auf die Grundrechte zu untersuchen und an den EU-weiten Haftungsfreistellungen für Internetprovider und Content-Anbietern nicht zu rütteln. Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft hat das Anti-Piraterieabkommen unterdessen zu einem Schwerpunktprojekt erkoren, um Rechte auf immaterielle Güter besser zu schützen und durchsetzbar zu machen. Das nächste Treffen der Verhandlungspartner steht im März in Marokko an.

Zum Anti-Counterfeit Trade Agreement (ACTA) siehe auch:

(Stefan Krempl) / (anw)